: I N T E R V I E W „Wir brauchen neue Rohstoffabkommen für die Entwicklungsländer“
■ Gamani Corea stammt aus Sri Lanka und war von 1974 bis 1986 Generalsekretär der UNCTAD, deren Konferenz gestern in Genf zuende ging
Frage: Sie gelten als Architekt des Integrierten Rohstoffprogramms. Ist dieses Konzept in einer Zeit schnell fallender Rohstoffpreise eigentlich noch relevant? Gamani Corea: Ja sicher. Das Programm beschränkte sich ja nicht auf die Stabilisierung der Preise, sondern bezog auch die Erlösstabilisierung mit ein sowie langfristige Maßnahmen zur Diversifizierung des Angebots und zur Verarbeitung der Rohstoffe in den Entwicklungsländern selbst. Beweist der Zusammenbruch einiger Rohstoffabkommen wie das Zinnabkommen eigentlich, daß es unmöglich ist, die Marktkräfte durch Abkommen auszuschalten? Das Integrierte Rohstoffprogramm sollte lediglich extreme und unberechenbare Schwankungen ausgleichen. Denn die Rohstoffpreise sind viel instabiler als die Preise von Fertigwaren. Das Ziel des Integrierten Rohstoffprogramms bestand eher darin, die Rohstoffpreise für die Entwicklungsländer zu einer planbaren Größe zu machen. Dies ist schon deshalb notwendig und vernünftig, damit die Rohstoffproduzenten auf die Marktsignale richtig reagieren können. Was das Zinnabkommen angeht, so liegen hier ganz spezielle Erfahrungen vor. Da griff der Manager des Zinnausgleichslagers in den Markt ein, handelte mit Wertpapieren und hatte sich am Ende übernommen. Dieser Zusammenbruch beweist sicher nicht die Schwäche von Rohstoffabkommen, allenfalls die Probleme des Managements solcher Abkommen. Was könnte der Gemeinsame Fonds denn bringen, wenn er jetzt nach der Unterzeichnung durch die Sowjetunion letztlich doch in Kraft tritt? Der Gemeinsame Fonds könnte bestehenden und zukünftigen Rohstoffabkommen mehr finanzielle Mittel verfügbar machen. Diese Ressourcen wären beträchtlich, da der Fonds auch auf dem Kapitalmarkt tätig sein wird und auf diese Weise auch Mittel des privaten Bankensystems in Anspruch nehmen könnte. Dadurch könnte man größere Rohstoffausgleichslager finanzieren. Hätten solche Mittel im Rahmen der Rohstoffabkommen für Kakao, Kautschuk und Zinn zur Verfügung gestanden, dann hätte man den Zusammenbruch des Zinnabkommens vermeiden können. Reichen dazu die gegenwärtigen Konzepte für den Gemeinsamen Fonds aus oder droht er eine blutleere neue Institution zu werden? Das bisher beschlossene Konzept reicht dazu auf keinen Fall aus. Natürlich sind auch die Möglich keiten des Gemeinsamen Fonds begrenzt. Er kann zum Beispiel nur Kredite im Rahmen von Rohstoffabkommen gewähren. Deshalb brauchen wir zuerst neue Abkommen, damit der Fonds die Preisstabilisierung finanzieren kann. Ich bin sicher, daß der Fonds über genügend Mittel verfügen würde, weil die Mitgliedsländer für diese Mittel bürgen müßten. Können Rohstoffabkommen eigentlich ohne Exportquoten funktionieren, die die Angebotsmenge aus den einzelnen Produzentenländern begrenzen? Theoretisch können Sie jeden Preis durch Verkauf oder Ankauf von Rohstoffvorräten halten. Dazu benötigt man jedoch wahrscheinlich mehr finanzielle Mittel als je zur Verfügung stehen werden. Trotz des Gemeinsamen Fonds wären die finanziellen Mittel nicht unendlich, wenn auch wesentlich höher als heute. Deshalb muß man die Stabilisierung der Preise durch Ausgleichslager unter bestimmten Bedingungen durch Exportquoten ergänzen. Allerdings muß man klar sehen, daß die Idee der Ausgleichslager auch geboren wurde, um Exportquoten zu vermeiden. Denn für viele Länder der Dritten Welt bedeuten sie den Verlust von Marktanteilen, zumeist Produktionseinschränkungen, damit mehr Arbeitslosigkeit. All dies schafft nämlich Schwierigkeiten, die Exportquoten für die einzelnen Länder festzulegen. Allein, um diese Schwierigkeiten zu vermeiden, sollte man zunächst in erster Linie auf Ausgleichslager setzen. In manchen Fällen werden wir dann ohne Exportquoten nicht auskommen, wollen wir einen Preisverfall vermeiden. Im Gegensatz zu den Entwichlungsländern betonen die Industrieländer angebotsorientierte Strategien wie das zweite Fenster des Gemeinsamen Fonds (Hilfen zur Verarbeitung, Diversifizierung und Forschung) oder den Aufbau sogenannter Studiengruppen, die mehr Transparenz in die Entwicklungen auf den jeweiligen Rohstoffmärkten bringen sollen? Das Konzept des zweiten Fensters des Gemeinsamen Fonds ist sicher sehr wichtig, weil es sich mit den langfristigen Problemen des Rohstoffsektors beschäftigt. Die Diversifizierung des Angebots, die Forschung oder die Verarbeitung zu fördern, ist durchaus vernünftig. Diese Aktivitäten sind jedoch keinerlei Alternative zur Stabilisierung der Rohstoffpreise über Ausgleichslager, also zum ersten Fenster des Gemeinsamen Fonds. Mit den angebotsorientierten Tätigkeiten des zweiten Fensters oder mit dem Aufbau von Studiengruppen können sie die Preise nicht stabilisieren, sie werden weiterhin stark schwanken. Interview: Wolfgang Kessler (epd)
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