: I N T E R V I E W SPD - Glaubwürdigkeit beschädigt
■ Interview mit dem Atomphysiker Klaus Traube (SPD), Mitglied der Expertenkommission der hessischen Landesregierung
Die SPD bezichtigt die Grünen der Träumerei, wenn diese von der Landesregierung fordern, sie sollten ALKEM nicht weiter genehmigen, denn das Weisungsrecht würde ja in Bonn bestehen. Was meinst Du dazu? Dazu kann man sagen: Die Empfehlungen des Doppelvierers, also der Expertenkommission, die seinerzeit beraten hat und deren Ergebnisse Grundlage der Koalitionsvereinbarungen wurden, sind klar von diesem Weisungsrecht ausgegangen und haben speziell für die ALKEM den Weg aufgezeigt, nämlich gegen die Weisung des Bundes das Bundesverfassungsgericht anrufen zu können. Diesen juristisch begründeten Standpunkt hat sich im übrigen auch die Staatskanzlei in Wiesbaden zu eigen gemacht. Steger und Krollmann haben mehrfach in den letzten Wochen gesagt, man werde das Bundesverfassungsgericht anrufen, falls Wallmann anweist, der ALKEM eine uneingeschränkte Genehmigung zu erteilen. Der Hinweis auf das Weisungsrecht ist in diesem Fall zunächst einmal eine schlichte Ausrede. Aber Holger Börner behauptet doch, er sei den Empfehlungen der Expertenkommission, deren Mitglied du warst, peinlich genau gefolgt. Die eingeschränkte Genehmigung, die Steger erteilen wollte, kann schon deswegen nicht aus den Empfehlungen des Doppelvierers herausgelesen werden, weil niemals von einer eingeschränkten Genehmigung der ALKEM dort die Rede war, sondern schlicht die Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Ablehnung der Genehmigung empfohlen worden ist. Nicht nur die vier Kolegen, die von den Grünen benannt wurden, sondern auch Überhorst und ich von der SPD halten die Genehmigung, die Steger erteilen will, als total konträr zu Geist und Buchstaben der Empfehlungen des Doppelvierers. Was hat sich Steger dabei gedacht? Es war doch klar, daß so etwas die Grünen nicht akzeptieren konnten. Ich kann nur sagen, ich habe auch in Wiesbaden, und selbst unter Kabinettsmitgliedern, mit denen ich gesprochen habe, niemanden gefunden, der eine Erklärung dafür hat, was der Steger sich eigentlich dabei gedacht hat. Vielleicht war es wirklich einfach so ein überschlaues Kalkül, eine Weisung von Wallmann zu provozieren und sich dann sowohl als Retter der Arbeitsplätze als auch als Gegner der Plutoniumwirtschaft darzustellen, was aus meiner Sicht von vornherein total weltfremd war und total dilettantisch angelegt war. Das Resultat ist nicht nur eine kaputte Koalition, das Resultat ist auch, daß die SPD schwerstens in ihrer Glaubwürdigkeit beschädigt ist, und zwar nicht nur die südhessische SPD, sondern auch die Bundes–SPD. Aber wieso hat die SPD–Führung dann den Steger gedeckt? Was heißt „die Führung“? Der Ministerpräsident, der jetzt das Handtuch geworfen hat. Das kann ich nicht sagen. Das weiß ich nicht. Jedenfalls war es nicht die SPD–Führung, sondern das waren wenige Leute in Wiesbaden, nicht mal das Kabinett als Ganzes, die meisten haben das in der Zeitung gelesen, was der Steger da dem Wallmann angeboten hat. Was wird die SPD nun machen? Jetzt beginnt die große Disziplinierung. Die südhessische SPD und die Frankfurter Genossen haben eine maßlose Wut im Bauch. Nun heißt es, in zwei Monaten sind Wahlen und die Partei muß zusammenhalten. Glaubst du noch, daß die SPD auf den Ausstiegskurs aus der Atomenergie gebracht werden kann? Das ist ein schwerer Rückschlag für die Glaubwürdigkeit der SPD. Daß die SPD–Basis und weite Kreise in der SPD–Führung, auch Volker Hauff, es wirklich ernst meinen mit dem Ausstieg, ist eine ganz andere Sache. Das Interview haben wir (gekürzt) dem Pflasterstrand Nr. 256 entnommen.
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