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I N T E R V I E W „Position des Mieters wird weiter geschwächt“

■ Gerhard Jahn, Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), zurgeplanten Freigabe der Mieten in Berlin

taz: Welche Auswirkungen hat nach Ansicht des Deutschen Mieterbundes die für 1990 in Berlin geplante Freigabe der Mieten? Gerhard Jahn: Es wird auf der einen Seite ganz erhebliche und unvertretbare Mieterhöhungen geben, auf der anderen Seite wird die ohnehin schwache Position des Mieters weiter geschwächt. Sind die „Weiße Kreis“–Erfahrungen anderer Großstädte uneingeschränkt auf Berlin übertragbar? Es gibt unterschiedliche Erfahrungen, zum Teil erträgliche, zum Teil ganz schlechte, die sich einer konkreten Bewertung entziehen. Berlin hat zusätzlich die besondere Situation, daß es dort keine Ausweichmöglichkeiten gibt. In München kann man aufs Land ziehen. Was halten Sie von dem Argument, fehlende Renditen aufgrund Preisbindung verursachten den Verfall der Berliner Altbauten? Ein vorgeschobenes Argument. Wenn Wirtschaftlichkeit Vorrang vor der Verträglichkeit für die Mieter hat, dann ist das keine soziale Wohnungspolitik. Wieviel Verantwortung für den Wohnungsmarkt soll Ihrer Meinung nach der Staat übernehmen? Wohnung ist eine entscheidende Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben. Von daher: Einschränkungen der freien Nutzung des Eigentümers liegen in der sozialen Verpflichtung des Staates. Konkreter gefragt: Braucht der Wohnungsmarkt mehr Staat oder weniger Staat? Diese Frage kann man pauschal nicht beantworten. Wir haben in der Bundesrepublik ein Mietrecht, das im freien vertraglichen Recht sehr weitgehende Bindungen zugunsten der Mieter sichert. Hier kann „mehr Staat“ überhaupt nichts bewirken. Wie schätzen Sie die Möglichkeit einer weiteren Verlängerung der Preisbindung in Berlin ein? Möglich ist sie. Es ist eine Frage der Mehrheiten. Das Gespräch führte Udo Hildenstab

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