: „Hyänen. Voila!“ - Theater-Revolution
■ Die Französische Revolution als Anfang eines Menschheitsbebens - und heute? Ein grün gesponsertes Theater-Projekt von Walter Moßmann und Kollegen aus Freiburg
Wir sind Revolutionsmüde geworden. Und werden noch müder, wenn wir an die große Französische Revolution denken, die vor 200 Jahren mit dem Sturm auf die Bastille begann.
Sie wird seit einigen Monaten totgefeiert. Ganze Regalbretter mit Neuerscheinungen sind angekündigt, Klassiker der Geschichtsschreibung erleben vielbändige Auferstehungen, Film und Fernsehen kündigen Revolu
tionsretrospektiven in bunt und schwarz-weiß an. Je mehr wir an die Revolte erinnert werden, desto fremder wird sie. Aufklärung wird zu Abgeklärtheit.
Der Autor Walter Moßmann und die Freiburger Schauspieltruppe canaille & co gehen keinen leichten Weg, wenn sie trotz Jubiläumsmüdigkeit und Zweifeln an den segensreichen Erfolgen des Umsturzes ein Revolutionstheater wagen. Sie nennen es: „Hyänen. Voila!“
Ein Blick ins Programmheft ist verwirrend und bestätigt die Befürchtungen. Es wirbelt durch die Zeiten und kündigt Szenen mit Hutmachern und Spitzeln, Sansculotten und Asylbewerbern, Erfindern und Propheten an; es prophezeit „harte Schnitte, fließende Übergänge, Verknüpfungen. Manche Fäden nimmt die Musik auf, andere der Film, andere bleiben hängen. Also: Keine Inhaltsangabe, unmöglich. Eine Collage ist eine Collage ist eine...“ Das klingt eher wie eine Vorab -Entschuldigung für die Nichtbewältigung des eigenen Anspruches. Aber Kritiker, die bei den Proben dabei waren, zei
gen sich beeindruckt: „So ein Stück habe ich noch nie gesehen.“
Die langwierigen Probearbeiten scheinen sich gelohnt zu haben. Die sieben SchauspielerInnen, finanziell von den Grünen unterstützt, hatten genug Zeit, in die 77 (!) Rollen hineinzuwachsen, das multimedialen Konzept der Gruppe - es schließt Musik, Videos, ständig wechselnde Bühnenbilder ein
-verspricht ein spannendes Mit-und Gegeneinander der Elemente.
Die Kerngedanken des Stückes sind sehr viel klarer als es im von der eigenen Sprache gehetzten Programmheft deutlich wird: 1789 war „Anfang eines Menschheitsbebens. Schlafende Hunde wurden geweckt.“
Der erste Gedanke: Die Hunde haben sich in Europa wieder weitgehend zur Ruhe gelegt. Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit sind weitgehend zu Etiketten verkommen. In zweihundert Jahren ist der Inhalt der Begriffe im Mittelmaß erstickt. Das Stück ist folgerichtig als „Spektakel zum Skandal der Egalite“ angekündigt, und es kulminiert in der Frage: „Wer köpft die Mehrheit?“ Der zweite Gedanke: Die Hoffnung der Revolte ruht nicht länger auf den satten Mitteleuropäern. Die „Dritte Welt“ ist an die Stelle des Dritten Standes getreten. Europa dagegen hat das Erbe der Aristokratie angetreten.
Aber auch wenn das Epizentrum der Revolte an die Noch -Peripherie gewandert ist, erreichen die Ausläufer des Bebens den Alten Kontinent. Das Stück spürt den Erschütterungen nach, begibt sich auf die Suche nach den Sansculotten von heute. Es will schlafende Hunde zu neuem Leben erwecken.
FWG
„Hyänen. Voila!“ am 3./4.4. um 20 Uhr im Modernes.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen