Hungerrevolte in Nordafrika: Mehrere Tote bei Protesten
Jugendliche im Maghreb demonstrieren gegen Hunger, Arbeitslosigkeit und Preiserhöhungen. Die Polizei schießt scharf. In Algerien sterben drei, in Tunesien mindestens acht Menschen.
ALGIER/TUNIS rtr | In Algerien und Tunesien haben sich die gewaltsamen Proteste gegen soziale Missstände am Wochenende fortgesetzt. Seit Beginn der Unruhen kamen in Algerien laut Innenministerium bereits drei Menschen ums Leben. Auch in Tunesien starben am Samstag und Sonntag mehrere Menschen, drei Männer versuchten, sich in der Öffentlichkeit selbst zu töten.
Algeriens Innenminister Dahou Ould Kablia bestätigte den Tod von drei jungen Menschen bei den Demonstrationen. Bei den seit Tagen andauernden Protesten gegen die hohen Lebensmittelpreise seien zudem 826 Menschen verletzt worden, darunter 763 Polizisten. Etwa tausend Menschen seien vorläufig festgenommen worden.
Offenbar um die Lage zu beruhigen, kündigte die Regierung vorübergehende Preisnachlässe für Speiseöl und Rohzucker bis Ende August an. Wegen der Preissteigerungen für Grundnahrungsmittel um bis zu 30 Prozent kam es seit Mittwoch zu Ausschreitungen in verschiedenen Städten Algeriens.
In Tunesien bestätigte das Innenministerium am Sonntag, dass bei Ausschreitungen mindestens acht Menschen ums Leben gekommen sind. Zudem wurden bei heftigen Protesten in mehreren Städten des Landes am Vortag acht weitere Personen verletzt. Vertreter der Gewerkschaften sprachen von elf Toten, ein Mitglied der Opposition gar von mindestens 20 Opfern. Von unabhängiger Seite konnten diese Zahlen bisher jedoch nicht bestätigt werden.
Ein Gewerkschaftssprecher sagte, es seien fünf Menschen bei Zusammenstößen in der Stadt Thala ums Leben gekommen. Einem Augenzeugen zufolge wurde ein Zwölfjähriger durch einen Kopfschuss getötet. In der Stadt Kasserine sollen in der Nacht zum Sonntag drei Protestler beim Sturm auf öffentliche Gebäude erschossen worden sein. Auch in der Stadt Regueb seien drei Menschen getötet worden. Der Oppositionspolitiker Nedschib Chebbi sprach von mindestens 20 Toten allein in Kasserine.
IDie Gewerkschaft UGTT bekundete am Samstag in Tunis ihre Unterstützung für die Proteste. Es sei "nicht normal, mit Kugeln zu reagieren", sagte UGTT-Vize-Generalsekretär Abid Brigui und rief zum Dialog mit den Jugendlichen auf.
Seit mehreren Wochen wird das nordafrikanische Land von gewaltsamen Protesten gegen hohe Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen erschüttert. Die Proteste nahmen in der Stadt Sidi Bou Said ihren Anfang, als dort am 17. Dezember ein junger Mann versuchte, sich aus Protest selbst zu verbrennen.
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