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Hungerrevolte in NordafrikaMehrere Tote bei Protesten

Jugendliche im Maghreb demonstrieren gegen Hunger, Arbeitslosigkeit und Preiserhöhungen. Die Polizei schießt scharf. In Algerien sterben drei, in Tunesien mindestens acht Menschen.

Polizeisondereinheiten gingen am 7. Januar gegen revoltierende Jugendliche in Algeriens Hauptstadt Algiers vor. Bild: rtr

ALGIER/TUNIS rtr | In Algerien und Tunesien haben sich die gewaltsamen Proteste gegen soziale Missstände am Wochenende fortgesetzt. Seit Beginn der Unruhen kamen in Algerien laut Innenministerium bereits drei Menschen ums Leben. Auch in Tunesien starben am Samstag und Sonntag mehrere Menschen, drei Männer versuchten, sich in der Öffentlichkeit selbst zu töten.

Algeriens Innenminister Dahou Ould Kablia bestätigte den Tod von drei jungen Menschen bei den Demonstrationen. Bei den seit Tagen andauernden Protesten gegen die hohen Lebensmittelpreise seien zudem 826 Menschen verletzt worden, darunter 763 Polizisten. Etwa tausend Menschen seien vorläufig festgenommen worden.

Offenbar um die Lage zu beruhigen, kündigte die Regierung vorübergehende Preisnachlässe für Speiseöl und Rohzucker bis Ende August an. Wegen der Preissteigerungen für Grundnahrungsmittel um bis zu 30 Prozent kam es seit Mittwoch zu Ausschreitungen in verschiedenen Städten Algeriens.

In Tunesien bestätigte das Innenministerium am Sonntag, dass bei Ausschreitungen mindestens acht Menschen ums Leben gekommen sind. Zudem wurden bei heftigen Protesten in mehreren Städten des Landes am Vortag acht weitere Personen verletzt. Vertreter der Gewerkschaften sprachen von elf Toten, ein Mitglied der Opposition gar von mindestens 20 Opfern. Von unabhängiger Seite konnten diese Zahlen bisher jedoch nicht bestätigt werden.

Ein Gewerkschaftssprecher sagte, es seien fünf Menschen bei Zusammenstößen in der Stadt Thala ums Leben gekommen. Einem Augenzeugen zufolge wurde ein Zwölfjähriger durch einen Kopfschuss getötet. In der Stadt Kasserine sollen in der Nacht zum Sonntag drei Protestler beim Sturm auf öffentliche Gebäude erschossen worden sein. Auch in der Stadt Regueb seien drei Menschen getötet worden. Der Oppositionspolitiker Nedschib Chebbi sprach von mindestens 20 Toten allein in Kasserine.

IDie Gewerkschaft UGTT bekundete am Samstag in Tunis ihre Unterstützung für die Proteste. Es sei "nicht normal, mit Kugeln zu reagieren", sagte UGTT-Vize-Generalsekretär Abid Brigui und rief zum Dialog mit den Jugendlichen auf.

Seit mehreren Wochen wird das nordafrikanische Land von gewaltsamen Protesten gegen hohe Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen erschüttert. Die Proteste nahmen in der Stadt Sidi Bou Said ihren Anfang, als dort am 17. Dezember ein junger Mann versuchte, sich aus Protest selbst zu verbrennen.

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6 Kommentare

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  • M
    mulay

    Das ist kein Hungerrevolte wie sie das betiteln, das ist ein Akademiker Aufstand für Ihre zukunft (auch wenn andere dabei sind),für freiheit,gegem korruption, bestechung und alles was dazu gehört,gegen diktatorische regime das von westliche länder und usa mit alle Kräfte unterstützt ist ,ein "Urlaubs paradies",daher die späte information der presse....erst nach ca.20 Tagen

  • F
    form

    @Egon: Dass du diesen Post auch noch unter absolut jeden Artikel, den du auf Deutsch zu dem Aufstand in Tunesien und Algerien findest, postest, wirft ein schlechtes Licht auf dein Gehirn.

     

    Al-Jazeera hat eine super interaktive Karte von Tunesien: http://bit.ly/ffBiRa

  • F
    Frank

    Bitte denken Sie in diesem Zusammenhang noch einmal ueber

    - "Biobenzin" (Lebensmittelverbrennung)

    - moderne Piraterie

    - den Zusammenhang von "Sicherheitspolitik" und Wirtschaftsinteressen

    - Opfer und Verursacher des Klimawandels

     

    nach...

    Die Notlagen und die daraus folgenden Streigkeiten werden gern von den Ursachen isoliert betrachtet.

    Nicht ohne Grund! Auf diese Weise wird es moeglich, dass sich die Verursacher als "KrisenHELFER" oeffentlich darstellen.

    Gern stellen die Verursacher Militaer und "Wirtschaftshilfe" bereit.

  • G
    Grundnahrungsmittel....

    Zucker und Öl werden also billiger? Bravo, das sind ja die idealen Grundnahrungsmittel überhaupt. Sarkasmus Ende. Wie kann ein so reiches Land Nahrungsmittel verteuern? Ups, ich vergaß, damit sich die korrupten Politiker die Taschen noch mehr voll stopfen können. Und mal ehrlich- die kümmert es keinen Deut, wenn dafür Menschen sterben müssen. Aber hoffentlich haben sie sich damit nicht mehr aufgeladen, als sie verspeisen können, wenn die Gewalt erstmal ausbricht, wird es schwer, sie wieder einzudämmen...

  • E
    egon

    das ist das ergebnis unkontrollierbarem bevölkerungswachstums in zum größten teil menschenfeindlicher umgebung. und das problem wird sich in den nächsten jahren dramatisch verschlimmern...

    aber offen darüber reden ist leider politisch nicht gewollt...

  • L
    leser

    In Tunesien sind mehr als 22 Menschen gestorben, darunter ein 13 Jähriger. Der starb, weil ein Polizist ihm in den Kopf schoß.

     

    Das sind längst keine Unruhen mehr, das ist beinahe schon Bürgerkrieg.

     

    Ben Ali hat das Militär aufgefordert, auf die Protestierer zu schießen, doch das Militär weigerte sich glücklicherweise. Die tunesische Polizei allerdings erschießt Protestierer und ist dabei nicht wählerisch.

     

    irc.anonops.ru #optunisia wird von hilfesuchenden Tunesiern zetweilig geradezu überrannt.

     

    Das geringe Presseecho in den westlichen Medien ist empörend.