Hungern für Häftlinge

■ In Elmshorn solidarisieren sich 50 BesetzerInnen mit Häftlingen in der Türkei

Die Gemeinde der St. Nicolai Kirche in Elmshorn (Kreis Pinneberg) lauschte den Worten von Pastor Erich Behrens, der über das Fest der Liebe sprach. Doch dabei wurde er plötzlich von etwa 50 türkischen und kurdischen MitbürgerInnen unterbrochen, die am ersten Weihnachtstag das Gotteshaus im Stadtzentrum besetzten.

Es sind Angehörige, FreundInnen und SympathisantInnen von politischen Häftlingen, die in türkischen Gefängnissen sitzen und sich dort seit über 430 Tagen im Hungerstreik befinden. Sie hungern für menschenwürdige Behandlung, die Aufhebung der Isolationshaft und für die Unterbringung in Gemeinschaftszellen. Dafür sind sie bereit den höchsten Preis zu zahlen – mit ihrem Leben. „Nach unseren Informationen sind bisher 82 Häftlinge gestorben“, sagt Achmet Celik (36), Sprecher der Elmshorner KirchenbesetzerInnen. Nach Verhandlungen mit der Polizei und Pastor Behrens sind die BesetzterInnen inzwischen ins Gemeindehaus ausgewichen und haben den Festsaal bezogen.

Der ist geschmückt mit Tannenzweigen und Sternen aus Silberpapier. Aber es duftet nicht nach Gepäck oder Gänsebraten. Nur das schwere Aroma von Tee hängt in der Luft, gemischt mit dem Geruch von Menschenleibern, die auf engstem Raum zusammenliegen. Denn aus Solidarität mit den Inhaftierten hat sich die Gruppe eine eigene Haft auferlegt und befindet sich im symbolischen Hungerstreik. „Mit der Aktion wollen wir die deutsche Regierung und die Bevölkerung aufrütteln“, erläutert Ayse Fehimle (44), eine der BesetzerInnen und ergänzt: „Wir wollen ein Fragezeichen in die Köpfe der Menschen bringen.“ Ein Denkanstoß, der die gesamte europäische Öffentlichkeit erreichen soll. „Das geht nur durch zivilen Ungehorsam“, glaubt Celik, der auf eine breite Unterstützung hofft.

Schon im Frühjahr will man versuchen, mit einer Delegation aus PolitikerInnen, StadtvertreterInnen und Kirchenmitgliedern in die Türkei zu reisen, um „moralischen Druck“ auf die Staatsführung auszuüben. „Es kann doch nicht sein, dass die Türkei unter diesen Umständen ernsthaft als zukünftiges Mitglied der EU gehandelt wird“, ereifert sich Celik. Heute (Beginn: 10 Uhr Kirchenstraße) geht die Aktion mit einer Demonstration durch die Elmshorner Innenstadt zu Ende. Fehimle: „Danach kämpfen wir weiter im Namen der Menschlichkeit.“ Gunther Sosna