: Hundert Plastikschilder für die Vopos
■ West-Berlins Innensenator Pätzold und DDR-Innenminister Diestel trafen Vorbereitungen für die Polizeieinsätze zum 1.Mai / Pätzold befürchtet, daß es „eher“ in West-Berlin zu Krawallen kommt / In Ost-Berlin kursiert, daß tausend Rechte besetzte Häuser stürmen wollen
Berlin. Der DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel (DSU) und der Westberliner Innensenator Erich Pätzold (SPD) sind gestern in Ost-Berlin erstmals zu einem Gespräch zusammengekommen. Im Vordergrund des Meinungsaustausches, an dem auch der Westberliner Polizeipräsident Georg Schertz und der Präsident der Volkspolizei, Klaus Bachmann, teilnahmen, standen die polizeilichen Vorbereitungen beider Stadthälften für den 1. Mai sowie die Einrichtung von gemeinsamen Arbeitsgruppen zu Sicherheits- und Verwaltungsfragen.
Diestel und Pätzold - die nach dem Gespräch zusammen mit den Polizeioberen vor die versammelte Presse traten verwiesen darauf, daß am 1. Mai in Ost- und West-Berlin zahlreiche Veranstaltungen und „Aufzüge“ geplant seien. Die Polizeieinheiten beider Stadthälften seien angewiesen, nach dem Grundsatz der „Deeskalation“ alles dafür zu tun, daß ein friedlicher Verlauf des Feiertags gewährleistet werden könne. Aufgrund der unterschiedlichen Hoheitsgebiete müßten etwaige Probleme vor Ort zwar jeweils „allein“ gelöst werden, dafür werde es aber auf der Ebene der Einsatzleitungen eine enge Zusammenarbeit und einen Austausch von Polizeiführern geben. Auf die Frage, ob mit gewalttätigen Ausschreitungen gerechnet werde, gab Pätzold die Einschätzung ab, daß solche „eher für West-Berlin“ zu befürchten seien. Dem Präsidenten der Ostberliner Volkspolizei, Klaus Bachmann, waren allerdings Informationen aus „rechtsextremen Kreisen“ zu Ohren gekommen, wonach bis zu „tausend rechtsextreme Kräfte“ am 1. Mai geplant hätten, die besetzten Häuser der autonomen Gruppen in Ost-Berlin „zu stürmen“ und sich bei der Volkspolizei für die „Abfuhr“ am 20. April auf dem Alexanderplatz „rächen“ wollten. Bachmann verwies darauf, daß die Volkspolizei den Besetzern in direkten Gesprächen zugesagt habe, die besetzen Häusern „besonders sorgfältig“ zu beobachten. Er sprach von rund 30 Häusern, drei Häuser seien in Lichtenberg von „rechtsextremen Kräften“ besetzt.
Die Grenztruppen an den Übergängen nach West-Berlin werden laut Diestel und Bachmann für die Zeit um den 1. Mai verstärkt. Für den Fall, daß es diesseits oder jenseits der Übergange zu „Krawallen“ komme, sollten die jeweils zuständigen Polizeieinheiten versuchen, mit dem Problem „dort, wo es entsteht, fertigzuwerden“ und es nicht auf die andere Seite abschieben. Notfalls solle der Wechsel randalierender Gruppen in abgestimmten Einsätzen „Rücken an Rücken“ verhindert werden, sagte Pätzold. Weil die Volkspolizei nicht für derartige Einsätze ausgerüstet ist, brachten Pätzold und Schertz gestern ein kleines Gastgeschenk mit: hundert durchsichtige Plastikschilder, die den Kollegen wenigstens aus der ärgsten Verlegenheit „helfen sollen“.
Bachmann bestätigte, daß einige Gruppen in Ost-Berlin am 1. Mai einen sogenannten „revolutionären linken Aufzug“ angemeldet haben. Im Anschluß daran wollten die Teilnehmer nach West-Berlin überwechseln, um an der Demonstration in Kreuzberg teilzunehmen. Wenn alles friedlich verläuft, werde es an der Grenze keine Probleme geben, versicherte der Präsident der Volkspolizei. Sein Chef Diestel hoffte, daß der 1. Mai ein friedlicher Tag „der Würdigung des werktätigen Menschen“ wird und „kein Kampftag“.
plu
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