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Humboldt-Uni in Karlsruhe abgeblitzt

■ Verfassungsgericht schickt Uni wegen Ergänzung des Berliner Hochschulgesetzes vor das Verwaltungsgericht

Mitte. Das Bundesverfassungsgericht hat die Klage der Humboldt-Universität (HUB) gegen die Ergänzung des Berliner Hochschulgesetzes nicht angenommen. Die Universität solle den ordentlichen Instanzenweg über die Verwaltungsgerichte beschreiten, entschieden die Karlsruher Richter. Dies bedeutet mit hoher Wahrscheinlichkeit, daß die Erneuerung der Berliner Traditionsuni nun nicht mehr vor dem Kadi entschieden wird. Im Akademischen Senat der HUB war gestern wenig Lust darauf zu verspüren, »daß man alles in Frage stellen muß, was in den letzten beiden Jahren gelaufen ist«, so die Dekanin der Elektrotechnik, Prof. Beate Meffert.

Auf der Grundlage des von der HUB kritisierten Ergänzungsgesetzes arbeiten die sogenannten Struktur- und Berufungskommissionen. Sie begutachten das alte Lehrpersonal und sind für die neuen Lehrstuhlprofile und die Berufungen an der Humboldt-Uni verantwortlich. Dieses Ergänzungsgesetz, so klagten die HUB und einige Profs letztes Jahr vor dem Verfassungsgericht, schaffe ein Zweiklassensystem von ProfessorInnen: West-Profs mit allen Entscheidungsrechten in der Hochschule und solche aus dem Osten, die nichts mehr zu sagen hätten. Den DDR-Hochschullehrern wären so pauschal ihre korporativen Rechte entzogen worden, meinte die HUB und sah einen Verstoß gegen Artikel 5 des Grundgesetzes. Das Verfassungsgericht hat sich dazu gar nicht geäußert, sondern die Humboldt- Uni auf den normalen Rechtsweg geschickt, sprich: vors Verwaltungsgericht. Die HUB hatte sich — ungewöhnlicherweise — in ihrer Klage sofort nach Karlsruhe gewandt.

Präsidentin Marlis Dürkop nannte es im Akademischen Senat ein Versäumnis, daß die HUB nicht erst in Berlin vor das zuständige Verwaltungsgericht gezogen war. Die Entwicklungen an der Uni seien inzwischen weit fortgeschritten. Eine nochmalige Klage— die noch möglich ist — könne einen »harten Schnitt ins eigene Fleisch bedeuten«, sagte die Präsidentin. Das strittige Ergänzungsgesetz gilt bis April 94, ein Rechtsstreit würde aber wesentlich länger dauern. Der Chemieprofessor Adolf Zschunke mokierte sich im Humboldt-Senat, warum der Prozeßbevollmächtigte der HUB, Reiner Geulen, nun andere Empfehlungen ausspreche als im letzten Jahr. Auf den ordentlichen Rechtsweg hatte Geulen, der für die HUB schon erfolgreich gegen die Abwicklung »ideologisch besonders belasteter Fachbereiche« klagte, die Verantwortlichen der HUB hingewiesen. Die HUB hätte damals »kein Vertrauen mehr« zum Verwaltungsgericht gehabt, erklärte der amtierende Leiter des Präsidialamtes, Dr. Andreas Kreßler. Es wäre eher eine atmosphärische als eine streng juristische Entscheidung gewesen, sofort Karlsruhe anzurufen. Der Humboldt- Senat wird in seiner nächsten Sitzung entscheiden, ob die HUB weiterklagt oder das Kriegsbeil begräbt. Christian Füller

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