piwik no script img

Human Rights Watch kritisiert IsraelVerstöße gegen das Kriegsrecht

Ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wirft Israel Kriegsverbrechen vor. Es geht um den Einsatz von Phosphorbomben im Gaza-Krieg.

Phosphor verursacht schwere Verbrennungen. Bild: ap

Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) klagt Israel der Kriegsverbrechen in Gaza an und forderte eine unabhängige Untersuchung sowohl von Israel als auch von der UN. "Die israelische Armee hat bewusst und in mehreren Fällen grundlos weiße Phosphorbomben eingesetzt", resümierte Fred Abrahams von der HRW, die am Donnerstag in Jerusalem einen 70 Seiten umfassenden Bericht über den Missbrauch des Kampfstoffes während der Gaza-Offensive vorstellte. Anhand eigener Untersuchungen und Interviews mit Augenzeugen zeigen die Verfasser den systematischen Verstoß gegen das internationale Kriegsrecht auf. In einer offiziellen Stellungnahme streitet die Armee den "willkürlichen Einsatz von Rauchbomben" ab.

Fotografen und Kameraleute dokumentierten schon während des Krieges den Abschuss der Bomben. Bei der dreiwöchigen Offensive im Gazastreifen starben rund 1.300 Palästinenser. Über 4.000 Menschen trugen Verletzungen davon.

Die Armeesprecher hatten zunächst komplett den Einsatz von Phosphorbomben abgestritten, dann betont, die Rauchbomben würden "entsprechend des internationalen Rechts" gebraucht, und schließlich eine interne Untersuchung angekündigt. Auch dem vorläufigen Resümee der Militärs nach sei kein internationales Gesetz verletzt worden. "Im Gegensatz zu den Anschuldigungen in dem Bericht (der HRW)", so heißt es in der Mitteilung der Armee, "muss betont werden, dass Rauchbomben keine Brandwaffen sind".

Während die Armee allgemein über den Einsatz der Waffe spricht, konzentriert sich die HRW bei ihren Vorwürfen auf konkrete Fälle, vor allem in eng bevölkerten Wohngegenden. Dabei wurden "155-mm-Artilleriegeschosse, die in der Luft explodierten", eingesetzt, die sich auf eine Fläche von "250 Meter Durchmesser ausbreiten". In den sechs Fällen, die die HRW nach dem Krieg Ende Januar untersuchte, sammelten die Feldforscher Reste von Bomben, die "zum Teil noch eine Woche weiterbrannten", so Abrahams. Die Kampfstoffe seien "in einer Schule, in einem Krankenhaus, auf Dächern von Wohnhäusern und in zwei Dörfern" gefunden worden.

Die Armee setzt Rauchbomben in Gegenden ein, wo die eigenen Bodentruppen Gefahr laufen, von gegnerischen Scharfschützen angegriffen zu werden. Dies, so Abrahams, sei "durchaus legitim". Allerdings gäbe es für die Vernebelung von Kampfzonen "alternative Mittel, wie nicht brennende Rauchbomben, die Israel selbst herstellt". Zudem seien in mehreren Fällen "die Soldaten überhaupt nicht in der Region gewesen". Der Bericht zitiert mehrere Zeugen der Angriffe auf das Hauptquartier der UNRWA (UN-Organisation für palästinensische Flüchtlinge). Demnach hatten Mitarbeiter der Hilfsorganisation der Armee telefonisch die Koordinaten ihrer Schule sowie der Treibstoffkanister durchgegeben, als der Beschuss anfing. Trotzdem wurde beides von weißen Phosphorbomben getroffen. "Es befanden sich keine Kämpfer auf dem Gelände und es wurde nicht geschossen", bezeugte UNRWA-Direktor John Ging.

Der HRW-Bericht "Feuerregen" hinterfragt nicht grundsätzlich den Einsatz von weißem Phosphor, sondern lediglich in welcher Form die Armee den Kampfstoff einsetzt. Dabei räumt Abrahams ein, dass "nicht überall, wo die israelische Armee weißen Phosphor eingesetzt hat, die Nutzung illegal war".

Weißer Phosphor wirke nur in zehn Prozent der Fälle tödlich. Die Phosphorgranten verursachen schmerzhafte Brandwunden. In Einzelfällen frisst sich das brennende Material bis auf die Knochen durch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

11 Kommentare

 / 
  • A
    aso

    @ B.H.:

     

    Schon mal was von der Taktik der menschlichen Schutzschilde gehört?

    Dabei gilt: je jünger, desto größer dann die inszenierte Empörung.

    Auf genau dieser Klaviatur spielen Sie...

  • B
    B.H.

    Ja stimmt, die Hamaskämpfer verfügen doch über eine moderne Technik, die es schafft, Erwachsene radikale Kämpfer in kleine zivile Babys, Mädchen und Jungs zu verwandeln ;)

  • A
    aso

    @ t.s.:

     

    Wer Fakten über asymetrische Kriegführung mit Erklärungen der IDF gleichsetzt, wird dem Problem nicht gerecht.

    Zu der kürzlich von zwei israelische Soldaten vorgetragenen Eigen-Kritik ist mittlerweile durchgesickert:

    Diese Ereignisse habe es nicht gegeben. Die vermeintlichen Augenzeugen hätten gegenüber dem Militäranwalt gestanden, nur Gerüchte gehört zu haben und dann beiden Geschichten "übertrieben und bewusst übertrieben" erzählt zu haben, um anderen Soldaten "ein Zeichen zu setzen". Sie gestanden, nicht Beteiligte gewesen zu sein.

     

    Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen auf Seiten der Hamas: gibt es sowas überhaupt?

    Hier wird Vorwürfen nicht mal nachgegangen, Verbrechen werden schlicht ignoriert.

    Weil eine Terrororganisation wie Hamas sich eh nicht an juristische oder moralische Gesetze halten braucht?

     

    @ AphroditeM:

     

    ich vermute, es soll heißen, nicht die aus dem Zusammenhang gerissene Aussage sei faschistoid, sondern sondern der menschenverachtende Umgang von Terrororganisationen mit Zivilisten als Mittel der asymetrischen Kriegführung. Insofern stimme ich zu.

  • T
    t.s.

    Es handelt sich nicht um ein 'Nachweis'-Problem und wer die 'Erklärungen' der isr. Armee abdruckt - die mit gutem Grund die Namen ihrer Kommandeure verheimlicht - dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen.

     

    Das dieser Staat in den Punkten Kriegsverbrechen, der Verletzung von Menschen- und Völkerrecht als Intensivtäter zu betrachten ist - egal ob es sich dabei um Folter, Lynchjustiz, Geiselnahme, Kollektivhaft, Vertreibung oder Raub handelt - ist allerbestens dokumentiert - wenn auch nicht in der taz (mit Ausnahmen in der mondediplo, kürzlich zu Akka zum Beispiel).

     

    Das Problem ist vielmehr, dass die kriminellen Handlungen für diese Täter immer folgenlos bleiben, weil sie über alle nur denkbaren Seilschaften hinein in die politischen, ideologischen und medialen Machtzentren in den USA und Europa verfügen - nicht zu reden von ihren arabischen Alliierten, den pro-'westlichen' Diktaturen am Mittelmeer - inbes. Ägypten - und denen am Golf - inbes. Saudi Arabien.

  • A
    aso

    @ AphroditeM:

     

    es wurden Taktiken der asymetrischen Kriegführung beschrieben. Diese Taktik beinhaltet, daß Terrororgganisationen wie z.b. al-Qaida, Taliban, etc. in Zivilkleidung kämpfen.

    Das bedeutet nicht, daß jeder, der Zivilkleidung trägt selber schuld ist, sondern: es wird bewußt keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung genommen. Und tote Zivilisten werden bewußt in Kauf genommen, um entsprechend in der Propaganda als Verbrechen der Gegenseite dargestellt werden zu können.

    Auch Zivilgebäude werden bewußt für militärische Zwecke genutzt, sei es als Lager, oder für Raketenabschüsse.

    Bei der Taktik der menschlichen Schutzschilde werden Zivilisten neben militärischen Zielen wie z.B. Raketenabschußrampen platziert.

    Da ihr Tod billigend in Kauf genommen wird, wird aus dem Einsatz menschlicher Schutzschilde häufig der Schluss gezogen, daß in deren Kultur ein Menschenleben einen geringen Stellenwert besitzt.

    Insofern halte ich diese Taktiken von Terrororganisationen in der Tat als faschistisch und menschenverachtend.

  • A
    AphroditeM

    @ aso: "Die perfide Taktik der Terroristen in Zivilkleidung zu kämpfen, so daß sie möglichst von Zivilisten nicht zu unterscheiden sind..." Sorry, aso, aber m. M. nach ist diese Aussage faschistisch, weil menschenverachtend. Nach dem Motto: jeder, der Zivilkleidung trägt, ist selber schuld.

  • A
    aso

    Hallo Setzerin...

     

    dieser Abschnitt aus obigem Leserkommentar wurde versehentlich abgetrennt, und könnte mit untigem editiert und ergänzt werden, oder wurde gekürzt, zensiert? Hier der fehlende Abschnitt:

     

    "Das wurde auch Zeit, daß man endlich mal wieder die fiesen Methoden der IDF anprangern kann.

    Ist das nicht die Logik des Krieges, "unfair" zu sein? Kann nicht in jedem Krieg jeweils dem Gegner unfaires vorgeworfen werden? Gab es jemals einen "fairen" Krieg?

    HRW, waren das nicht die, die sich neulich völlig lächerlich machten, indem sie sich für das Kopftuchtragen von Lehrerinnen an deutschen Schulen aus dem Fenster lehnten?

    Wo bleibt die Aufregung über die Kriegsverbrechen der Hamas?"

  • K
    Karl

    HRW rückt sich völlig ohne Not mit so undifferenzierter Darstellung ins politische Abseits.

     

    Der Unfug beginnt bei mit dem Terminus "Kampfstoff". In diesem Zusammenhang sachlich falsch, wen interessiert was tatsächlich darunter fällt: www.opcw.org

     

    Dann der Fehler des Übersetzungsprogramms:

    "weiße Phoshphorbomben"..wie seriös wird da eigentlich recherchiert?

     

    Auch"..die noch eine Woche weiterbrannten.." soll wohl "nach einer Woche noch.." heißen.

     

    Auch alle anderen Mebelstoffe FM, HC usw sind humantoxikologisch nicht unbedeutend gefährlich.In geschlossenen Räumen gibt es keinen Unterscheid zu WP!

     

    Leider ist der Bericht zu demagogisch geraten um glaubwürdig zu sein, schade!

     

    Karl

  • A
    aso

    Die perfide Taktik der Terroristen in Zivilkleidung zu kämpfen, so daß sie möglichst von Zivilisten nicht zu unterscheiden sind, sowie die Taktik, menschliche Schutzschilde zu benutzen.

     

    Daß Terroristen eigentlich nur Vorteile daraus haben, aus bewohnten Gebieten heraus zu operieren: Schreckt der Gegner vor Angriffen zurück, um Zivilisten zu schonen, machen sich die Extremisten unangreifbar. Werden die Extremisten angegriffen, können sie die Toten für ihren Propagandakrieg benutzen. Da alle Toten in Zivil sind, gelten die Kämpfer schnell auch als Zivilisten.

     

    Die Entführung/Geiselnahme des Wehrpflichtigen Gilad Schalid, der tägliche Raketenterror!

    Ist es die kalkulierte permanente Selbstverständlichkeit dieser Kriegsverbrechen, die uns abstumpfen soll?

     

    Wo wird derjenige angesiedelt, der sowas anprangert?

    Gilt bei den Linken Kritik an der Hamas als Nestbeschmutzung?

  • M
    Monster

    Noch nicht einmal Tiere fügen sich so etwas untereinander zu! Allein darüber nachzudenken, wann eine Bombe legal oder illegal sei zeugt von Perversion! Der Mensch verdient heutzutage nicht mehr ein "Mensch" genannt zu werden. "Monster" wäre beschreibender!

  • A
    antonio

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Israel muss für ihre Taten hart bestraft werden. Die ganze Welt schweigt , wenn es um Israe geht, aber greift schnell ein, wenn es um Iran odr die Araber geht. Das ist unfair!!!