piwik no script img

„Huffington Post“ in EuropaFür Ruhm und Klicks

Auch der spanische Ableger der „Huffington Post“ ist bereits ein Erfolg. Doch er bekommt Konkurrenz. Arbeitslose Journalisten gründen eigene Portale.

Vorhang auf für den Auftritt der „Huff Post“ in Europa. Bild: ap

MADRID taz | Das Konzept ist so einfach wie erfolgreich. Blogger schreiben kostenlos, nur ein Teil der Inhalte wird selbst produziert. Der Rest sind eingebettete Artikel anderer Medien. Was in den USA Millionengewinne abwirft, verlockt auch die großen Medienhäuser in Europa. Huffington Post Deutschland etwa wird am 10. Oktober online gehen.

Das Kapital – drei Millionen Euro – stammt fast ausschließlich aus dem Hause Burda. Tomorrow Focus heißt die Tochter, die auch andere Burda-Portale betreibt, etwa Focus Online. 15 Journalisten unter der Leitung des ehemaligen Chefredakteurs der Wirtschaftswoche, Sebastian Matthes, sollen keine Konkurrenz für das Münchener Nachrichtenmagazin werden, sondern eine Ergänzung mit ganz neuem Zuschnitt. In fünf Jahren, so wünscht es sich die Unternehmensleitung von Tomorrow Focus, solle die HuffPost Gewinn abwerfen.

Der Blick geht zum Beispiel gen Spanien, wo die spanischsprachige HuffPost unter der Regie des Presseimperiums Prisa, unter anderem Herausgeber der Tageszeitung El País, im Juni den ersten Jahrestag feierte – und eine positive Bilanz zieht.

„Das Projekt läuft weitaus besser als in unseren kühnsten Träumen“, erklärt Guillermo Rodríguez, der 39-jährige stellvertretende Chefredakteur der spanischen Ausgabe der Huffington Post. Mit 1,5 Millionen unterschiedlichen Besuchern pro Monat hat die Internetzeitung die Klicks im ersten Jahr ihres Bestehens mehr als verdoppelt. Die Belegschaft ist von acht Mitarbeitern auf elf angewachsen. „Wir hoffen, dass wir bald schon 15 Redakteure haben“, erklärt Rodríguez, studierter Historiker, der seit 1998 im Online-Journalismus tätig ist.

Der Blick nach Lateinamerika

Die spanische HuffPost-Chefin Monserrat Domínguez ist eine Journalistin alter Schule. Die 49-jährige Absolventin der Columbia University in New York war Fernseh- und Radiosprecherin bevor sie sich auf das Internetabenteuer einließ. Der Rest der Mannschaft ist jung und hat sich die ersten Sporen von Anfang an im Netz verdient.

Die Huffington Post und der Ausbau der Internetpräsenz von El País Richtung Lateinamerika sind die beiden Standbeine, mit der der spanische Medienkonzern Prisa die Krise der Printmedien überwinden will. Elpais.com hat 7,7 Millionen unterschiedliche Besucher pro Monat. Auch HuffPost Spanien schaut nach Lateinamerika. „Dort lokale Ausgaben zu gründen, ist eines unserer Ziele“, sagt Rodríguez.

Von einem Vergleich mit der großen Schwester aus dem Hause Prisa, El País, will Rodríguez nichts wissen. HuffPost sei eine andere Art, Zeitung zu machen. „Wir setzen auf Personen, die sonst keine Stimme haben“, erklärt der Vizechef. 300 Blogger haben im ersten Jahr in der Huffington Post veröffentlicht. Waren anfänglich viele bekannte Politiker darunter, sind es immer mehr „junge Autoren, die Interessantes zu erzählen haben“. Bezahlt werden sie – wie auch beim US-amerikanischen Original – nicht. „Sichtbarkeit“ sei ihr Lohn, so die Philosophie des Hauses – die in Spanien von Berufsverbänden stark kritisiert wird.

Die Realität der Straße

Mit einer Sache haben die HuffPost-Macher in Spanien aber nicht gerechnet: Im ersten Jahr ihres Bestehens haben sie unerwartet viel Konkurrenz bekommen. Journalisten, die im Laufe der Krise ihren Job verloren, gründeten mehrere Projekte. La Marea, El Diario oder Info Libre haben ebenfalls den Anspruch, die Realität der Straße ins Zentrum der Debatte zu rücken, und sie haben damit Erfolg.

„Konkurrenz wirkt belebend“, gibt sich Rodríguez selbstsicher. Die HuffPost sieht er als Angebot für junge, kritische Leser. „Wir beobachten genau, was die anderen machen, um aus deren Stärken und auch deren Fehlern zu lernen“, sagt Guillermo Rodríguez. Er ist stolz darauf, eine starke Lesergemeinschaft aufgebaut zu haben. 40.000 Kommentare werden monatlich gepostet.

Sein Wunsch fürs zweite Jahr: „Langsam rentabel werden und mehr Personal, um mehr eigene Inhalte kreieren zu können.“ Noch seien zu viele Nachrichten überarbeitete Ticker oder Links auf andere Newswebsites.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Den Trend zur Selbstorganisation haben wir einem starren Medienkonzept zu verdanken, wonach alles was erfolgreich kommunizieren will, von einem Kapitalbonzen so weit auseinander getrieben wird, bis sich schließlich ein neuer Erfolg abzeichnet. Dann wird das wieder eingekauft.

  • N
    Nilswis

    Bezahlt werden sie – wie auch beim US-amerikanischen Original – nicht. „Sichtbarkeit“ sei ihr Lohn,

    Das ist eine Frechheit sondergleichen und selbst unter Krisenbedingungen für niemanden würdig, der Zeit, Arbeit, Recherche und viel Herzblut in seine Texte steckt. Zumindest ein Anteil, gemessen vielleicht an Klicks oder ähnlichem, sollte drin sein. HuffPost Deutschland kann mir bei solchen Methoden gestohlen bleiben! Arbeit muss sich wieder lohnen. und nein ich bin nicht die fdp.