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Hoyerswerda im Belagerungszustand

■ Kommunalpolitiker der Stadt fühlen sich vom „Asylbewerberproblem“ überfordert

Montagmorgen in der Schauerstadt. Wo sich in der Nacht zuvor mehrere Hundertschaften der Polizei Scharmützel mit Skins und anderen Ausländerfeinden geliefert haben, fährt die Müllabfuhr durch die Straßen, Kinder spielen auf dem Trottoir. Auch im Wohnkomplex 5c in der Thomas-Müntzer-Straße, um die drei Eingänge herum, in denen noch 230 AsylbewerberInnen darauf warten, nach West-Germany (so ihr Transparent) evakuiert zu werden, sind keine Spuren des Wasserwerfereinsatzes und der „polizeilichen Räumung“ vom Abend zuvor mehr zu sehen. Auf den Eingangsstufen zur Nummer 14 sitzt eine Gruppe Asylbewerber. Schweigend rauchen sie eine Zigarette, beobachten aufmerksam den Parkplatz gegenüber. Keine Polizei weit und breit. Neun Stunden zuvor, um Mitternacht, hatten da noch fünf Ambulanzen und Dutzende von Einsatzfahrzeugen gestanden. Dahinter liegt das Wäldchen, aus dem sie meist kommen, die ihre „Ausländer raus!“-Parolen hier ablassen. Auch in der Nacht zum Sonntag waren sie wieder da.

Am Sonntag hat die Polizei Bewachung rund um die Uhr versprochen. Am Nachmittag haben sie sich mit einigen hundert Zugereisten auseinandergesetzt. Dem Polizeibericht ist zu entnehmen, daß es zwischen ihnen und UnterstützerInnen der AsylbewerberInnen, darunter Mitglieder der „Liga für Menschenrechte“, aber auch Leute aus der Kreuzberger Szene, Zusammenstöße gab, mit zwei Verletzten. Am späten Abend dann Räumung des Geländes durch mehrere Hundertschaften und zwei Wasserwerfer. Von den vielleicht 300 Menschen, die abgedrängt werden, sind die meisten Schaulustige, allerdings parteiische: Mit den Skins wollen sie nichts zu tun haben, aber daß „die Ausländer wegmüssen“, steht für alle NachbarInnen fest.

Zu der ganz heißen Nacht kommt es nicht. Aus den Polizeiketten lösen sich aber immer wieder kleine Gruppen und gehen auf Verfolgungsjagd. Auch der Presseausweis hilft da nicht, nur die Büsche oder der nächste Hauseingang. Ohne Vorwarnung werden Tränengasgranaten in die Höfe zwischen den Häuserblöcken geworfen — und bisweilen auch wieder zurück. Die Bilanz der Polizei: fünf Schreckschußpistolen einkassiert, vier Stichwaffen, fünf Totschläger. Und 32 vorläufige Festnahmen.

Um null Uhr ist dann Wachwechsel. Der Einsatzleiter vom Bundesgrenzschutz versichert: Natürlich bleiben wir hier. Den Rest der Nacht, so erzählen die BewohnerInnen am Morgen, ist es ruhig. Aber ab dem Morgen gibt es keine Polizei mehr. Die Ausländerhasser können jederzeit wiederkommen. Seitdem halten die BewohnerInnen des Heimes ein wachsames Auge auf ihre Straße und fragen sich: Warum ist nach sechs Uhr nicht eine einzige Polizeistreife bei den Häusern geblieben?

Diese Fragen quittiert der Leiter des Einsatzstabes beim örtlichen Polizeipräsidium kurz und bündig: Er wirft den Hörer auf die Telefongabel. Verhalten zeigen sich die Kommunalpolitiker. Bürgermeister Armin Ahredt, CDU, verspricht, „soziale Konzepte“ auszuarbeiten. Er fordert eine bessere Betreuung der AsylantInnen und mehr Jugendarbeit. Daß dafür entsprechende Konzepte noch nicht einmal in den Schubladen der Ratsschreibtische liegen, dafür fühlt sich der Bürgermeister nicht verantwortlich. Er kam schließlich erst vor drei Wochen nach Hoyerswerda.

Auch der Landrat des Kreises, Wolfgang Schmitz, CDU, ist sich keiner politischen Versäumnisse bewußt. Der Kreis sei mit der Zuteilung von etwa 240 AsylantInnen „hoffnungslos überfordert“, meint er und erinnert daran, daß in Hoyerswerda die Fremdenfeindlichkeit bereits seit Jahren existiert. Anfang der 80er Jahre quartierte die SED-Regierung rund 500 Gastarbeiter aus Mosambik und Angola in einem Wohnheim ein. Messerstechereien zwischen Einheimischen und Gastarbeitern seien damals häufig vorgekommen.

Konzepte zur Integration zwischen ausländischen und deutschen MitbürgerInnen könne man nicht von einem Landratsamt erwarten. „Wir haben so viel zu machen, und dann noch die Asylanten.“ Schmitz will sich bei der Landesregierung dafür einsetzen, daß die neuen Bundesländer demnächst keine AsylbewerberInnen mehr zugeteilt bekommen. Annette Rogalla, Hoyerswerda

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