Hortplatz wird zum Luxus

■ Weil die Schulhorte im Osten neuerdings bezahlt werden müssen, werden immer weniger Kinder angemeldet. "Statt Einnahmen gibt es neue Überhanglisten"

Wenn heute das neue Schuljahr beginnt, wird es in den Ostbezirken viele neue Schlüsselkinder geben. Der Grund: Für den offenen Ganztagsbetrieb im Schulhort, der bislang bis auf das Mittagessen kostenfrei war, werden die Eltern jetzt zur Kasse gebeten. Bei einem Bruttoeinkommen von 3.500 Mark müssen Eltern nunmehr 94 Mark berappen statt bisher nur 34 Mark fürs Mittagessen.

In Weißensee sind für das neue Schuljahr nur 1.070 GrundschülerInnen für den Schulhort angemeldet statt 1.201 vor einem Jahr. Und das, obwohl es mit dem Bezug des Neubaugebietes Karow-Nord jetzt mehr Schulkinder im Bezirk gibt. Die Kinder werden nicht durch eine höhere Nachfrage im Kita- Hort aufgefangen, sagt Schulstadtrat Rainer Hampel (SPD). Mit Sorge beobachtet er eine andere Tendenz: Rund 500 Eltern, die bislang den offenen Ganztagsbetrieb von 8 bis 16 Uhr nutzten, den es nur in den Ostbezirken gibt, melden ihre Kinder jetzt auf die hortähnliche Betreuung von 6 bis 18 Uhr um, „weil das für die Eltern neuerdings billiger ist“. Für das Bezirksamt bedeutet das aber einen höheren Verwaltungsaufwand, weil die Eltern das Essengeld ans Amt und nicht direkt an den Essenanbieter zahlen.

Noch gravierender schlagen die Hortabmeldungen im Nachbarbezirk Pankow zu Buche. Statt 2.000 GrundschülerInnen wie bisher werden ab kommender Woche nur 1.050 den Schulhort besuchen, führt Amtsleiter Lothar Köppen aus. Die Zahl der Lernanfänger reduziere sich hingegen nur um 300. Köppen hofft auf neue Anmeldungen in den nächsten Wochen „in den neu fertiggestellten Neubaugebieten. Aber das kann die Abmeldungen nicht wettmachen.“

Hohenschönhausens Jugendstadträtin Christa Sobanski (PDS) beobachtet die Hortabmeldungen schon seit dem letzten Schuljahr. „1996 wurden erstmals 12 statt wie bisher 10 Monatsbeiträge erhoben.“ Zeitgleich hätten 300 von 900 Erstkläßlern, die auf einen Hortplatz angemeldet waren, diesen nicht angetreten. Im Laufe des Schuljahres wurden von den 2.900 Kita-Hortplätzen im Bezirk noch einmal etwa 700 abgemeldet. Die Stadträtin ist sicher, daß für viele Eltern die höheren Kosten ausschlaggebend waren. Der offene Ganztagsbetrieb im Schulhort sei für Geringverdiener bisher eine kostenfreie Alternative gewesen. „Ab dem neuen Schuljahr ist auch das versperrt.“

Bislang schlagen die Hortabmeldungen nur in den Ostbezirken durch. Im Westteil gibt es, so Jugendamtsdirektorin Gabriele Jetter aus Neukölln, noch immer einen Mangel an Hortplätzen. „Wenn Eltern ihr Kind abmelden, stehen neue Bewerber Schlange.“

Die grüne Jugendpolitikerin Jeanette Martins ist vom dem Ausmaß der Abmeldungen überrascht. „Der Senat hat die Warnungen der Opposition in den Wind geschlagen.“ Sie rechnet mit weiteren Abmeldungen ab Januar. Dann wird der Kita-Hort erneut teurer. „Das könnte sich auch auf die Westbezirke auswirken.“

„Während die Kita-Erzieherinnen seit längerem mit qualitativ höherwertigen Angeboten um Kinder werden, haben sich viele Horte noch nicht umgestellt.“ Die Jugendpolitikerin hat ihre eigene Tochter, die eine dritte Klasse in Prenzlauer Berg besucht, jetzt im Hort abgemeldet, „weil die Qualität der Betreuung in keinem Verhältnis mehr zu den Kosten steht“. Statt einen Hort besuche ihre Tochter jetzt Keramikzirkel, Flöten- und Religionsunterricht. Aber Martins weiß, viele Eltern können das Geld dafür nicht aufbringen. „Statt neue Einnahmen in die Landeskasse bringen die Kostenerhöhungen eine neue Überhangliste und viele Problemkinder.“ Marina Mai