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■ Horoskope für „Stern“-Leser und andere WassermännerDritte Dekade, bitte melden!

Also, ich bin ja Wassermann. Dritte Dekade. Wenn Sie Anfang November dringend jemanden gesucht haben, der partout nicht aufzufinden war, dann war der garantiert auch Wassermann der dritten Dekade. Laut Horoskop im Stern wurden nämlich alle drittdekadigen Wassermänner in der Woche vom 2. bis 8. November „dringend gesucht, sind aber nicht zu finden. Das ist vielleicht ganz gut so.“ Seltsam. Nicht, daß ich Horoskope nicht ohnehin ziemlich seltsam fände, aber das im Stern ist das seltsamste. Immer so orakelhaft, gemeingefährlich irgendwie...

Neulich stand bei mir: „Ihr neues Hobby erweist sich als kostspielig. Betreiben Sie es deshalb möglichst diskret!“ Was für ein neues Hobby...? Wie „diskret“? Nehmen wir mal an, mein neues Hobby sei Fußball. Soll ich dazu diskret in den Keller gehen, damit meine Freundin nicht mitkriegt, wie teuer der Ball war? Und hockten Anfang November Millionen von Wassermännern der dritten Dekade diskret in ihren Kellern, um ihren neuen, teuren Hobbys zu frönen, damit ihre Freundinnen das nicht mitkriegen?

Meine ist Zwilling. Da steht dann im Stern: „Glauben Sie eigentlich selber an die ständigen gegenseitigen Versprechungen, aufzuhören?“ Mit wem verspricht sie sich was? Womit will sie aufhören? Mit ihrem diskreten, neuen, kostspieligen Hobby? Mit dem Stern- Horoskope lesen? Warum steht dort nicht mal: „Diese Woche Glück in der Liebe. Nächste Woche nicht soviel Colesterin essen“, wie in allen anderen normalen Horoskopen auch?

Aber was ist schon noch normal an Horoskopen? Auf meinem Horoskop-Abreißkalender steht für heute: „Reichen Sie dem Menschen, der heute zu Ihnen kommt, die Hand zur Versöhnung. Zwar haben Sie die betreffende Person bisher nur als einen ihrer ärgsten Widersacher kennengelernt, doch die heutige Begegnung wird Ihre Einstellung vollkommen ändern.“ Es ist jetzt 23.45 Uhr, ich wohne außerhalb, und bisher ist kein Mensch bei mir vorbeigekommen! Geschweige denn mein ärgster Widersacher. Und wenn der jetzt noch käme, würde ich ihn sofort rausschmeißen!

Wer denkt sich nur immer so hahnebüchene Tagesratschläge aus? Mein Nachbar ist 38, Widder und hat die Windpocken. In seinem Bild-Horoskop steht: „Sie können heute nach Herzenslust die Zweisamkeit mit ihrem Partner genießen!“ Der „Partner“ des Nachbarn heißt Renate Fisher und war schon seit acht Tagen nicht mehr „zweisam“ mit ihm, weil sie noch keine Windpocken hatte und mein Nachbar immer noch so ansteckend ist. Wie kann man so jemanden mit so einem unreflektierten Tageshoroskop quälen?

Früher dachte ich immer, alle Astrologen hätten rote Lippen und rote Fingernägel, hießen Elisabeth Tessier und schrieben zum Beispiel: „2. bis 8. November: Ihr Uranus steht im Krebs, und das dritte Haus verheißt Ihnen eine spannende Begegnung am nächsten Donnerstag. Ziehen Sie sich schick an!“ in die Zeitung. Das ist aber gar nicht so.

Zumindest nicht beim Stern. Dort sitzen kleine, fiese Gestalten, die hämisch durchs Weltraumteleskop grinsen und danach orakelhafte Gemeinheiten auf die Horoskopseiten kritzeln, um schlechte Stimmung in den Chefetagen dieses Landes zu säen: „Wassermann, 19. bis 22. Oktober: Beim Verteilen kommt es zum Streit. Nehmen Sie den Ihnen garantierten Anteil, und pfeifen Sie einfach auf den Rest.“ Ist Theo Waigel Wassermann? Dritte Dekade? Wenn er Mitte Oktober im Keller hockte und ein kostspieliges Hobby betrieb, und wenn Sie ihn vom 2. bis 8. November verzweifelt gesucht, aber nicht gefunden haben, dann ist er einer!! Denn: Das Stern- Horoskop ist zwar bescheuert, aber es lügt nie! Frank M. Ziegler

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