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Horn-Lehe als Siemensstadt?

■ Bedenken gegen ein städtebauliches Monster

Ökologische Sünden kosten doppelt oder gar ein Vielfaches. Die Rechnung ist aber oft erst von späteren Generationen zu zahlen. Das veranlaßte wohl auch die Beiratsfraktion der FDP, gnadenlos für die Siemensstadt in Horn-Lehe zu plädieren (“Siemens würde sonst nach Hamburg auswandern“!), und nur zwei Beiratsmitglieder — der einzige Grüne und einer der SPD — stimmten gegen die für Bremen und besonders für Horn-Lehe fatale Städteplanung, im Unigebiet jeglicher Wohnbebauung „ade“ zu sagen.

Gegen diese Planung habe ich beim Beirat große Bedenken geltend gemacht: Im gesamten Uni-Gebiet entsteht ein städtebauliches Monster aus Universität, Gewerbegebiet und Technologiepark — ein Osterholz-Tenever mit umgekehrten Vorzeichen. Kein Mensch wird hier später wohnen! Dabei sollte die Universität doch integriert werden. Tagsüber high life, nach Feierabend Friedhofsruhe — ein Wahnsinn angesichts der Infrastruktur. 1.700 Siemens-Leute, die noch jetzt über die Stadt verteilt sind und mit vielfältigen Möglichkeiten ihren Arbeitsplatz erreichen können (z.B. Siemenshochhaus/Bahnhofsnähe), werden sich dann zu den Stoßzeiten — natürlich nur per PKW (denn einen entsprechenden ÖPVNV gibt es bekanntlich nicht) auf die Siemensstadt stürzen. Auch für die Bremer Straßenbahn wird diese Städteplanung insgesamt nur nachteilig sein.

Darüber hinaus: Hat Bremen keinen Wohnbedarf mehr, um plötzlich verzichten zu können auf den hier nach dem Flächennutzungsplan noch gültigen Wohnungsbau — noch dazu in dieser unvergleichlichen Lage? Was ist mit dem hochtönenden SPS-Programm „Wohnen und Arbeiten“?

Es kommt hinzu, daß das Planungsgebiet eine sensible Flora und Fauna beinhaltet. Schließlich ist es ein Stück Hollerland, eine Natur, die mehr als 20 Jahre Ruhe gehabt hat. Auch historisch ist es von Bedeutung: Hier liegt u.a. noch ein Teilstück Deich aus der Siedlerzeit von vor 900 Jahren. In einem Wohngebiet hätte sich vieles davon integrieren lassen.

Für den florierenden Siemenskonzern aber wird das ein großer „Reibach“ werden, wenn er auf dem sechs fußballfeldgroßen Areal, das er natürlich zu Hökerpreisen nachgeschmissen bekommt, „Rationalisierung“ betreiben wird; denn um neue Arbeitsplätze geht es bei diesem Konzentrationsprozeß allemal nicht. Aber Subventionen in —zig-Millionen-Höhe werden sicher von der Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft fließen für die mutige Ansiedlung des Unternehmens und als Lohn, nicht nach Hamburg zu gehen. Dafür werden eben kleine Betriebe, die wohl Hilfe nötig hätten, das Nachsehen haben.

Alles in allem sollten sich viele Bremer gegen das geplante Monster und gegen eine solche Politik zur Wehr setzen. Noch ist es nicht zu spät — außerdem gibt es bald Wahlen! Gerold Janssen

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