: Hopser und Galoppaden
■ Die Hamburger Gaswerke feiern ihren 150. Geburtstag Von Florian Sievers
Im Jahre 1823 beginnt der Gastwirt Peter Ahrens mit der Herstellung von Leuchtgas, das er in Stahlflaschen an wohlhabende Hamburger verkauft. Sein mit Gas prachtvoll beleuchtetes Etablissement an der Neustädter Neustraße gilt bald über die Stadtgrenzen hinaus als Sehenswürdigkeit.
„An den Ballabenden umstanden hunderte von neugierigen Zuschauern den Eingang zum Salon und warteten auf das Anzünden der dort angebrachten Kandelaber“, berichtet eine zeitgenössische Quelle. Seine Gäste veranlaßte diese Gasillumination gar zu „Hopsern und Galoppaden gleich nach Tisch“, wie ein Beobachter konstatierte. Aus Peter Ahrens wird im Volksmund Peter Gas und später Hein Gas.
Mit diesem Spitznamen belegt Volkes Stimme in Hamburg noch heute das kommunale Gasunternehmen, das dieser Tage anderthalb Jahrhunderte alt wird.
Der Senat hielt das Projekt Straßenbeleuchtung für „wenig ausführbar“
Vor 150 Jahren, im Jahr 1844, schließen Vertreter der Stadt mit dem „Verein Gas-Compagnie“ den ersten Vertrag über die öffentliche Gasversorgung, ein Jahr später leuchten in Hamburg zum ersten Mal die Gaslaternen, rechtzeitig zum Beginn der dunklen Jahreszeit im Oktober. 27 Jahre vorher hielt der Senat das Projekt noch für „wenig ausführbar“, zwei Jahre vor Vertragsabschluß verzögerte der Große Brand erneut die Vertragsunterzeichnung.
Nur vier Wochen nach dem Start der Kokerei auf dem Grasbrook zerstört eine Sturmflut große Teile der Anlage, die aus Kohle Gas gewinnt; der wirtschaftliche Aufstieg der heutigen Hamburger Gaswerke (HGW) beginnt also erst nach dem Neuanfang im August 1846.
Schon im Jahr 1870 brennen 9000 Laternen in Hamburg mit Gas, das nach der Erfindung des Bunsenbrenners nun auch für Heizung und warmes Wasser genutzt wird. Um die Jahrhundertwende sieht sich die Haas'sche Gasfabrik, wie die Gaswerke zu dieser Zeit genannt werden, wegen ihrer „frühkapitalistischen Arbeitsmethoden“ kritisiert. In den vier Werken arbeiten die Ofenhausarbeiter zwölf Stunden täglich, Laternenanzünder müssen für nicht gründlich geputzte Gaslampen hohe Bußgelder zahlen.
Aber weder diese Beschwerden noch ein schweres Unglück im Jahr 1909 mit mehreren Toten und Schwerverletzten tun der stetigen Aufwärtsentwicklung des Unternehmens Abbruch. Der Erste Weltkrieg jedoch führt die Gaswerke in ihre erste Krise. Die Kohle verteuert sich drastisch, wegen des Mangels an Arbeitskräften müssen Frauen schwere Arbeiten verrichten, Sparappelle und Sperrstunden lassen außerdem den Gasabsatz der Stadt zurückgehen.
Um 1926 bekommen die Gaswerke ernsthafte Konkurrenz: Die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) wollen selbst das Geschäft mit der Straßenbeleuchtung machen. Die Elektrizität setzt sich durch, doch erst im Jahr 1981 verlischt die letzte Gaslaterne in Hamburg.
Im Zweiten Weltkrieg läßt Hein Gas Kriegsgefangene, hauptsächlich aus Osteuropa, für sich arbeiten – sie stellen rund ein Drittel der Beschäftigten.
Heute arbeitet Hein Gas als Dienstleitungsunternehmen und verteilt den Brennstoff über ein 10.000 Kilometer langes Rohrnetz an seine Kunden. Die müssen diese Leistung heutzutage allerdings nicht mehr mit barer Münze, in den Gaszähler eingeworfen, bezahlen. Bis vor 50 Jahren war es üblich, sich auf diese Weise die benötigte Menge Gas zu zapfen.
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