: Honorarkräfte müssen um Job fürchten
■ Das Bundesgesetz gegen „scheinselbständige“ Beschäftigung könnte Tausende Arbeitsplätze etwa bei Volkshochschulen und Musikschulen des Landes gefährden. Zusätzliche Sozialabgaben belasten den Haushalt
Eigentlich sollte das neue Gesetz der rot-grünen Bundesregierung die Absicherung der Beschäftigten verbessern. Nun stellt sich heraus, daß es viele von ihnen den Job kosten könnte – zum Beispiel MusiklehrerInnen, die an den Musikschulen des Landes als Honorarkräfte arbeiten. „Eine Reduzierung der Stellen kann ich nicht ausschließen“, sagte gestern Senatssprecher Michael-Andreas Butz, nachdem sich die Landesregierung den Kopf über das Gesetz gegen die „scheinselbständigen“ Tätigkeiten zerbrochen hatte. So werden Beschäftigte genannt, für die die Arbeitgeber keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlen, obwohl sie ganz normale ArbeitnehmerInnen sind.
Im Einzugsbereich der Berliner Landesverwaltung sollen rund 50.000 Honorarkräfte tätig sein, wobei Butz diese Zahl nicht bestätigen wollte. Der Senat hat gestern erst einmal beschlossen, mit einer Arbeitsgruppe dem Umfang der Scheinselbständigkeit auf den Grund zu gehen.
Bislang spart SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing in vielen Fällen den Arbeitgeberanteil an den Sozialabgaben – rund 20,7 Prozent der sonst fälligen Lohnkosten. Nach dem Willen von Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) freilich soll in Zukunft für mehr Beschäftigte als bisher Geld in die notleidenden Sozialkassen fließen.
Im Falle der 36jährigen Hertha Gerdes*, die an der Volkshochschule Charlottenburg Französisch unterrichtet, heißt das folgendes: Ihr Honorar von rund 1.500 Mark monatlich würde sich zu Lasten des Landes auf 1.800 Mark erhöhen. Falls die Honorarmittel des Landes – etwa 105 Millionen Mark jährlich – nicht zunehmen, wird die Volkshochschule den Vertrag kürzen oder ihn kündigen, um andere LehrerInnen weiterbezahlen zu können.
Gegenwärtig überprüft das Land, wie viele mögliche Scheinselbständige auf den Honorarlisten stehen. Dabei gilt als ertappt, wer mindestens zwei der folgenden vier Kriterien erfüllt: Er beschäftigt keine eigenen Angestellten, arbeitet nur für einen Arbeitgeber, ist an dessen Weisungen gebunden und am Markt nicht selbst als Unternehmer tätig. Hannes Koch
* Name geändert
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