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Hongkong: China bleibt beinhart

■ Demokratiebewegung des Territoriums fürchtet, daß die Kolonialmacht London dem Druck Pekings nachgibt

Berlin (taz) – Die britisch-chinesischen Gespräche über die Zukunft Hongkongs stecken in einer tiefen Krise. Zwölfmal haben sich die Vertreter der Regierungen in Peking und London seit April getroffen, um über die Modalitäten der „Rückgabe“ der britischen Kolonie im Jahr 1997 zu verhandeln. Seit dem Amtsantritt des Hongkonger Gouverneurs Chris Patten, der eine – sehr beschränkte – Schaffung demokratischer Institutionen befürwortet, hat die chinesische Regierung wiederholt wütende Drohungen ausgestoßen.

Zuletzt in der vergangenen Woche, als sämtliche regierungsamtlichen Zeitungen Chinas Altpolitiker Deng Xiaoping zu Worte kommen ließen: Falls es zu „ernsthaftem Chaos“ in Hongkong komme, dann „wäre die chinesische Regierung gezwungen, den Zeitpunkt und die Methode der Rückerlangung Hongkongs neu zu überdenken.“ Das Zitat stammt zwar aus dem Jahr 1982. Doch die jetzige Veröffentlichung machte deutlich, daß die Pekinger Regierung beinhart bleiben will. „China wird angesichts der unangemessenen Forderungen, die seine Souveränität beschränken, nicht zurückweichen“, kommentierte die Peking- nahe Zeitung Ta Kung Pao in Hongkong. Wenn Chinas Außenminister Qian Qichen und sein britischer Amtskollege Douglas Hurd heute am Rande der UNO-Vollversammlung in New York zusammentreffen, dann wird Hongkong ganz gewiß angesprochen werden. Der Hongkonger Anwalt Martin Lee, einer der prominentesten Vertreter der Demokratischen Bewegung in Hongkong, gab gestern gegenüber der britischen BBC seiner Befürchtung Ausdruck, London könnte angesichts des chinesischen Drucks einknicken und die Befürworter der Demokratisierung im Regen stehen lassen.

Daß die Verhandlungen über die Zukunft Hongkongs unter Ausschluß derjenigen vor sich geht, die am meisten davon betroffen sind, hatte im September bereits Christine Loh Kung-wai im Gespräch mit der taz betont. Die 38jährige, die sich seit den siebziger Jahren in der Hongkonger Demokratiebewegung engagiert hat, ist im vergangenen Jahr von Chris Patten in das Hongkonger Quasi- Parlament, den „Legislative Council“ berufen worden.

Loh: Niemand weiß genau, was der exakte Stand der Verhandlungen gegenwärtig ist. Wir lesen die Zeitungen genau, verfolgen jedes einzelne Wort, das chinesische oder britische Diplomaten von sich geben, und versuchen, dies zu interpretieren. So wird in den Medien viel spekuliert, und es ist schwer zu wissen, welches Spekulationen sind, und was von der einen oder anderen Seite lanciert wird, um Reaktionen zu provozieren.

taz: Worum geht es jetzt?

Die Probleme liegen klar auf der Hand: Erstens geht es um die Amtszeit der Abgeordneten, die im Jahr 1995 gewählt werden. Dürfen sie alle bis 1999 im Legislativrat, unserem Parlament, bleiben? Also bis zum Ablauf ihrer vierjährigen Amtsperiode. Die Chinesen sagen: Nun, im Jahr 1996 werden wir ein Komitee einsetzen, das dann beschließt, ob diese Leute geeignet sind oder nicht. Hongkong sagt natürlich, daß das sehr schlecht ist. Wenn Parlamentarier vom Volk gewählt sind, dann müssen sie bis zum Ende ihrer Amtszeit arbeiten dürfen. Und wenn es Kriterien gibt, dann müssen diese objektiv sein. Aber die Chinesen haben sich bislang geweigert, zu sagen, was man genau tun muß, um den Kriterien zu entsprechen.

Aber direkt gewählt werden doch nur wenige der insgesamt 60 Mitglieder im Legislativrat ...

Es gibt zwei Aspekte bei Wahlen, die die chinesische Regierung nicht mag: Der Vorschlag, den der Gouverneur im vergangenen Jahr gemacht hat, sieht vor, daß neun Sitze von speziellen Interessengruppen gewählt werden, die wir „Functional Constituencies“ (berufsständische Wählergruppen) nennen. Es gibt bereits 21 solcher Standesgruppen, von Ärzten, Anwälten, Börsenhändlern etc. Einige davon sind sehr klein, sie haben weniger als 100 Leute. Aber China will nicht, daß die die Hongkonger die neun Abgeordneten direkt wählen, weil sie im Grunde Angst vor direkten Wahlen haben. Denn Peking fürchtet, daß diejenigen, die direkt gewählt werden, schließlich alles sogenannte Demokraten sind. Leute, die gegen die KP sind. Übrigens hat die Idee der berufsständischen Wahlkreise einen interessanten Hintergrund, es gab sie in Mussolinis Italien, im ehemaligen Jugoslawien und im zaristischen Rußland. Aber die Chinesen finden das sehr gut, weil sie diese Wählergruppen klar identifizieren können. Und gerade die kleineren, überschaubaren, sind leichter zu kontrollieren. Patten hatte nun vorgeschlagen, diese zusätzlichen neun Sitze einfach von allen wählen zu lassen, die berufstätig sind.

Was sagen die Hongkonger dazu?

Die fanden die Idee gut, aber die Chinesen sind strikt dagegen. Dann geht es noch um zehn Sitze bei den Distriktwahlen. Patten hat vorgeschlagen, diese in den zehn Distrikten direkt wählen zu lassen. Also jeder in den Distrikten soll wählen können. Die Chinesen beharren wiederum darauf, Wählergruppen aus speziellen Schichten zu bilden. Sie haben zuviel Angst vor direkten Wahlen. Wir haben Distriktwahlen im kommenden Jahr und Legislativrat-Wahlen 1995. Wenn die Gespräche zwischen den Chinesen und Briten zusammenbrechen, dann könnten die Briten die Wahlen einfach durchziehen. Dann ist die Frage, was am 1. Juli 1997 passiert. Dann haben die Chinesen die Macht. Dann können sie es ändern. Jutta Lietsch

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