: Honecker läßt Diepgen zur Jubelfeier sitzen
■ DDR–Staatsratsvorsitzender Honecker erteilt Berlins Regierendem Bürgermeister Diepgen eine Absage für den Auftakt (West) zur 750–Jahr–Feier
Aus Berlin Mechthild Küpper
Gewettet hatte ohnehin niemand mehr darauf, daß die Eröffnungsfeier zum 750.Geburtstag der Stadt im Berliner Kongreßzentrum mit Erich Honecker stattfinden würde. Seit sich die west–östlichen Staatssekretäre Stronk und Löffler gestern in Ost–Berlin trafen, ist es amtlich. Erich Honecker sieht „zur Zeit“ keine Möglichkeit, die Einladung anzunehmen. ADN meldete die Absage kurz nach Ende des Gesprächs, der West–Berliner Senat brauchte mehr Zeit: Der Regierende Bürgermeister ist gerade in Belgrad, um minimale Ostblock–Beteiligung an der Jubelfeier zu forcieren. Er sei gar nicht erstaunt, teilte Eberhard Diepgen (CDU) aus Belgrad mit. Der Grund für die Absage - ein Diepgen–Brief vom 4.Juli 1986 an die Ministerpräsidenten der Länder sowie „andere Bedingungen“ - halte er für einen „Vorwand“. Diepgen hatte damals seine Kollegen ermahnt, nicht an „staatsaktähnlichen Veranstaltungen der DDR“ zur 750–Jahr–Feier teilzunehmen, weil das unter Status–Aspekten „unangebracht“ sei. Drei Monate später kam Honeckers Einladung an Diepgen, zum Staatsakt der DDR am 23.Oktober teilzunehmen, und „der politische Hintergrund“ des Mahnbriefes war mit einem Schlag ein anderer. Von statusrechtlichen Hindernissen, die Einladung anzunehmen, wollte Diepgen nichts mehr wissen. Seither ist die Frage: „Fährt Diepgen, kommt Honecker“, Stadtgespräch. Diegpen will fahren, hat aber vor allem gegen innerparteilichen und Presse–Widerstand zu kämpfen. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Im Februar schließlich sprach er nach Konsultationen mit den Alliierten und der Bundesregierung eine Gegeneinladung an Honecker aus. Der Senat ist trotz der Absage optimistisch: Zu einem Teil der von West–Berliner Bezirken geäußerten Wünschen auf kommunale Kontakte mit Ost–Berliner Bezirken gab es gestern grünes Licht. Die Berliner CDU und die Bundesregierung sehen den Weg Diepgens zum DDR–Staatsakt im Herbst nicht verstellt. Während die Bundesregierung die Absage „zur Kenntnis“ nahm, bedauerte Egon Bahr wie die Berliner SPD die Entscheidung Honeckers.
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