Homophobie im US-Fußball: Alternativloser Protest
In der zweiten US-Fußballliga verlässt das Team der San Diego Loyal wegen einer homophoben Beleidigung den Platz. Der Verband reagiert ebenfalls.
D er US-amerikanische Männerfußball, meinen viele, sei generell zweitklassig. In der United Soccer League (USL) ist er es auf jeden Fall. Die Liga mit ihren 35 Klubs ist unter der Major League Soccer (MLS), dem höchsten Niveau des US-Profifußballs, angesiedelt. Am kommenden Samstag beginnen die Playoffs in der USL, aber Schlagzeilen macht gerade ein Verein, der sich nicht einmal für die K.-o.-Runde qualifizieren konnte.
Denn vergangenen Mittwoch verließ die Mannschaft von San Diego Loyal nach dem Wiederanpfiff zur zweiten Halbzeit gegen die Phonex Rising geschlossen das Spielfeld. Der Grund: Loyal-Profi Collin Martin war vor der Pause von Gegenspieler Junior Flemmings homophob beleidigt worden. „Batty boy“ soll der jamaikanische Nationalspieler gerufen haben, eine auf der Karibikinsel verwendete, abwertende Bezeichnung für Homosexuelle.
„Ich hatte den Begriff schon einmal gehört und wusste genau, was er bedeutete“, berichtete Martin, der seit 2018 offen mit seiner Homosexualität umgeht, aber, so sagt er, bislang im Fußball noch nie deswegen diskriminiert wurde. Aber als er dem Schiedsrichter, der nichts gehört hatte, die Beleidigung erklären wollte, dachte der, Martin hätte ihn „schwul“ genannt, und stellte ihn vom Platz.
In der Pause beschlossen das Team und sein Coach, der ehemalige Nationalspieler Landon Donovan, trotz einer 3:1-Führung einen Spielboykott anzudrohen, falls kein Platzverweis für Flemming oder zumindest seine Auswechslung erfolge. Doch Phoenix-Coach Rick Schantz sagte zu Donovan, so was sei im Fußball doch üblich: „Er hat es nicht so gemeint. Wir lang hast du denn Fußball gespielt?“
Rassistische Beleidigung
Bekanntlich sehr lang, aber trotzdem empfahl Donovan, der einst für Leverkusen und Bayern spielte, seinem Team, das Spiel abzubrechen. Seine Mannschaft war schon in der Woche zuvor in einen ähnlichen Vorfall verwickelt. Loyal-Profi Elijah Martin war in der 71. Minute des Spiels gegen das Reserveteam des MLS-Klubs L.A. Galaxy von Gegenspieler Omar Ontiveros mit dem N-Wort beleidigt worden.
„Danach fühlten sich unsere Spieler schuldig, weil sie nichts gesagt hatten“, erklärte Donovan. Deshalb wollte das Team wenigstens später Solidarität zeigen und hatte mit den Gegnern aus Phoenix ausgemacht, dass das Spiel in der 71. Minute unterbrochen werden sollte, damit die Mannschaften ein Banner mit der Aufschrift „I will act, I will speak“ präsentieren können.
Dazu kam es nicht mehr, dafür geht es aber in den Medien, nicht nur den sozialen, hoch her. Die einen loben den Protest der Loyal-Profis und fordern für solche Vorfälle härtere Strafen. Die anderen dagegen meinen, die Reaktion sei übertrieben. „Lasst euch ein paar Eier wachsen“, kommentierte jemand auf Twitter. Manche unterstellen gar, dass Donovan, der nicht nur Trainer, sondern auch Mitbesitzer des Klubs ist, die mediale Aufmerksamkeit auf San Diego Loyal lenken wollte.
Der Verband hat mittlerweile reagiert und Ontiveros für sechs Spiele gesperrt, L. A. Galaxy hat ihn entlassen. Flemmings, der die Beleidigung bestreitet, und sein Trainer Schantz sind vorläufig suspendiert. Die USL untersucht die Fälle, und die Schiedsrichtervereinigung will die Referees, die falsch reagiert haben, in eine Fortbildung stecken. „Leider zeigt die Erfahrung, dass eine Beschwerde per E-Mail keine Reaktion hervorruft“, bilanziert Landon Donovan. „Ich wünschte, es wäre nicht nötig gewesen. Aber ich unterstütze alles, was dazu führt, dass so ein Verhalten auf dem Platz nicht mehr vorkommt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren