Homophober Reggae-Sänger Buju Banton: Summerjam-Festival in der Kritik
Auf dem Summerjam-Festival in Köln soll Buju Banton als Headliner auftreten. Der Reggae-Künstler ruft in einem Song zum Mord an Schwulen auf.
Berlin taz Das Summerjam-Festival ist mit 30.000 Besuchern eines der größten Reggae-Festivals Europas. Es findet jährlich in Köln statt und ist nach eigenen Angaben ein Fest „mit toleranten und friedliebenden Gleichgesinnten“. Der geplante Auftritt von Buju Banton als Headliner im Juli dieses Jahres lässt daran zweifeln.
So ruft dieser in seinem Song „Boom Bye Bye“ dazu auf, Schwule zu erschießen oder durch Säure- und Brandanschläge zu töten. „Boom bye bye in a battyboy head“, heißt es in dem 1992 veröffentlichten Song. „Battyboy“ und „Battyman“ sind im jamaikanischen Kreolisch abwertende Ausdrücke für schwule und bisexuelle Männer.
„Homofeindlichkeit ist keine Petitesse. Sie ist auch kein Ausdruck künstlerischer Freiheit. Sie ist schlichtweg menschenfeindlich. Und Menschenfeindlichkeit darf in Köln keine Bühne bekommen“, fordert der grüne Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann in einem offenen Brief. „Ich bitte Sie und Euch daher sehr darum, Buju Banton nicht auftreten zu lassen. Andernfalls wird es sicherlich zu Protesten gegen das Summerjam-Festival kommen“, so Lehmann weiter.
Die Summerjam-Organisatoren hingegen verteidigen den Auftritt. „Wir haben die Entwicklung des Künstlers über lange Jahre beobachtet. Seine Sicht auf die Dinge hat sich im Laufe der Jahre verändert. Und das ist gut so!“, teilte eine Sprecherin der taz mit. Sie verwies auf einen Vertragspassus, mit dem sich Künstler bereits seit 2005 verpflichten, während ihrer Summerjam-Auftritte auf homophobe Statements zu verzichten.
Einen Ausschluss von Künstlern, die sich abseits der Kölner Bühne schwulenfeindlich äußern, gibt es allerdings nicht. Den zitierten Song nennt die Sprecherin „zu Recht scharf kritisiert“ und weist darauf hin, dass der Sänger bei der Veröffentlichung „gerade mal 19 Jahre alt war“.
Kölner CSD fordert Absage
Buju Banton, der im Februar 2011 wegen Drogenhandels schuldig gesprochen wurde und bis Dezember 2018 im Gefängnis saß, hat den Song allerdings noch bis mindestens 2007 öffentlich gespielt – also im Alter von 34 Jahren. 2007 unterzeichnete er den sogenannten „Reggae Compassionate Act“ der Kampagne „Stop Murder Music“ und verpflichtete sich dadurch, zukünftig schwulenfeindliche Texte in Songs zu unterlassen. Noch 2009 erklärte er jedoch laut dem Jamaica Observer, dass es „kein Ende im Krieg zwischen mir und Schwuchteln“ gebe. Wegen seiner „Kultur und Erziehung“ könne er „nicht in 1.000 Jahren“ Homosexualität gutheißen.
Auch der Kölner CSD, der zeitgleich zum Summerjam-Festival stattfindet, fordert die Absage des Auftritts. „Die Gewaltrate an Homosexuellen und Trans* ist in seinem Land extrem hoch, dafür sind solche Künstler wie er mitverantwortlich. Er sorgt gerade bei jungen Menschen dafür, dass sich Homo-, Trans*,- und Biphobie noch mehr ausbreitet“, heißt es in einem offenen Brief. „Viele Aktivisten und Organisationen in den Ländern, wo der Sänger besonders populär ist und die Gewaltverbrechen nach wie vor anhalten, kritisieren diese Hasssänger“, so die CSD-Veranstalter weiter.
Auch auf den Bahamas steht ein geplanter Auftritt Bantons in der Kritik. So forderte die bahamaische LGBT-Aktivistin Erin Greene, dass Banton bei seinem Konzert auf die schwulenfeindlichen Lyrics aus „Boom Bye Bye“ verzichten sollte. „Ich kann diesen Song und seine Auswirkungen auf das Leben von queeren Kariben niemals vergessen“, sagte sie der bahamaischen Tageszeitung Tribune242.
Dennoch sollte die „Ikone“ nicht auf diesen Song reduziert werden. „Wir sollten in der Lage sein, Buju als komplexe Figur anzuerkennen“, so Greene weiter. Anschließend war sie Drohungen ausgesetzt, mehrere Personen riefen ihr „Boom Bye Bye“ in der Öffentlichkeit zu. „Ich bin besorgt über meine Sicherheit und über die anderer Mitglieder der Community“, postete sie auf ihrer Facebook-Seite.
Gesellschaftliche Ächtung
Buju Banton wird, wie viele andere Reggae- und Dancehall-Künstler mit sogenannten „Battyman Tunes“ im Repertoire, bereits seit vielen Jahren von Organisationen kritisiert, die für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transpersonen eintreten. Besonders in Jamaika aber wird der Sänger verehrt. In dem karibischen Inselstaat wird mann-männlicher Sex mit bis zu 10 Jahren Haft bestraft, Homosexualität ist gesellschaftlich geächtet. 2001 verwendete die aktuell regierende Jamaica Labour Party den Song „Chi Chi Man“ der Dancehall-Gruppe T.O.K. als Wahlkampfsong. Darin wird die Verbrennung von Schwulen gefeiert.
Die 1998 gegründete jamaikanische LGBT-Organisation J-Flag prangert in einem Bericht aus dem letzten Jahr (pdf) „weitverbreitete Diskriminierung, Ausschluss, gewalttätige Attacken, Polizeigewalt, Arbeitslosigkeit und einen deutlichen Mangel an Rechtsschutz“ an. Im Juni 2004 wurde der J-Flag-Gründer Brian Williamson in seiner Wohnung in Kingston brutal ermordet. Nach dem Mord trat ein schwulenfeindlicher Mob vor dem Tatort zusammen und sang zur Feier des Tages ein Lied: „Boom Bye Bye“ von Baju Banton.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste