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Holocaust-MahnmalBetrunkene verpissen sich

Nach der Veröffentlichung eines Videos, in dem Betrunkene an das Berliner Stelenfeld urinieren, fordert Denkmal-Initiatorin Rosh mehr Sicherheitsmaßnahmen.

Kein Problem dagegen: Wasser von oben. Bild: AP

Die Initiatorin des Holocaustmahnmals, Lea Rosh, findet die Sicherheitsmaßnahmen am Holocaustdenkmal zu Silvester unzureichend: „Zehn Sicherheitsleute sind viel zu wenig. Da müssen mindestens 50 Uniformierte auf- und abmarschieren“, sagte sie der taz.

Ein Video, das am 5. Januar auf der Seite des israelischen Onlineradiosenders Arutz Sheva veröffentlicht worden war, zeigt, wie das Denkmal in Berlin von Betrunkenen beschmutzt wird: Betrunkene torkeln zwischen den Steinen umher, klettern auf die Quader, Bierflaschen werden auf ihnen abgestellt, Feuerwerkskörper gezündet. Ein Mann pinkelt im Stehen von einem der Blöcke. Gesichter sind auf dem gut vierminütigen Video allerdings nicht zu erkennen.

Berlin und die Polizei hätten sich schlecht vorbereitet, sagte Lea Rosh nun: „Dass in der Silvesternacht Hunderttausende am Brandenburger Tor johlen und springen, ist nicht neu. Wenn die Sicherheitsmaßnahmen aber so schlecht sind, ist es nicht überraschend, dass da jemand hinpinkelt.“

Auch Jenifer Stolz von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden sagte, man müsse nun über die Konsequenzen des Films sprechen. Zur Diskussion stünden eine Umzäunung sowie die Frage nach mehr Sicherheitspersonal. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) versicherte, dass man versuchen werde, die Täter mithilfe der Videoüberwachung zu identifizieren. „Es muss alles daran gesetzt werden, dass sich so etwas nicht wiederholt“, sagte sie.

Der Sprecher der Polizei, Thomas Neuendorf, sagte: „Wir sind zwar entsetzt darüber, wie Menschen mit dem Denkmal umgehen, aber wir erkennen keine Straftat.“ Eine Aktion von Rechtsradikalen, wie der Macher des Videos vermutet, sehe man ebenfalls nicht: „Das sind ganz offensichtlich Betrunkene, die die Gelegenheit genutzt haben, ihre Notdurft zu verrichten.“

Colin Cortbus, britischer Journalist, der das Video aufgenommen hat, sieht das offenbar anders. Auf der Seite des israelischen Internetradios gibt er dem Film den Titel „German Hooligans desecrate Berlin Holocaust Memorial“. Die Menschen sähen rechten Extremisten nicht unähnlich, schreibt er.

Auch Kommentatoren unter dem Videobeitrag forderten in Deutschland lebende Juden auf, das Land zu verlassen: „Get out, you stupid jews!“. Deutschland, schreiben sie, sei für sie gefährlich. (mit epd)

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10 Kommentare

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  • J
    JGZ

    Ein Weidezaun mit 3-5 kV würde völlig genügen. Anderenorts hält man damit die Rindviecher doch auch in Schacht!

    JGZ

  • Dass Stehlenfeld als Stadtmöbel angenommen wird, ist doch Teil des konzeptes gewesen. Das hat der Architekt, der da -man mag es dem Minimalismus nicht direkt anmerken- sehr viel Hirnschmalz reingebuttert hat, sich dabei auch gedacht.

     

    Wer komplett solche Sachen verhindern will, der soll sich mit einer Statue o.ä. begnügen.

     

    Das es keine Aktion aus Hass war, ist bis zum Beweis, oder Hinweisen des Gegenteils anzunehmen.

     

    Aber die Debatte zeigt eben das viele schlichtweg nicht auf der Geistigen Höhe des Architekten sind, und hier mit einem Stück architektonischer Kunst konfrontiert sind, das sie nicht verstehen.

  • D
    Daniela

    Au ja! 20 Uniformierte davorstellen, am besten in Riot-Cop-Montur, und zwar dauerhaft. Die können auch gleich die NPD-Demo schützen, sollte sie da mal vorbeikommen.

     

    Meine Güte. Sylvester, Fasching etc. machen (leider) ganze Stadtteile zur öffentlichen Toilette. Wie wärs denn, einfach ein Klo in der Nähe zu platzieren?

     

    Ah, das geht ja auch nicht, weil die Nähe der Toilette zum Mahnmal auch falsche Signale aussenden könnte. Aber eine Reihe bewaffneter Uniformierter ist ok?

  • S
    Stefan

    Wie wäre es mit mehr Toiletten? Bei amerikanischen Großveranstaltungen im Freien stehen Batterien von hunderten Klos, damit jeder ohne Wartezeit dran kommt.

     

    Bei uns? Fehlanzeige.

  • G
    Gast

    Hinter diesem Geschehn eine politische Motivation zu vermuten ist ziemlich überzogen. Man muss wohl davon ausgehen, dass diese Betrunkenen dort einfach nicht nachgedacht haben. Das ist schlimm, muss aber wahrgenommen werden.

    Es geht nicht ständig um Politik. Manchmal geht´s auch einfach nur um Dummheit und Unwissen.

  • J
    Jon

    Wuerde da eher ein paar Lichtbaeume hinstellen. Das wirkt bei gewissen Dingen Wunder.

  • A
    Aha

    Die augenzwinkernde Bildunteschrift ist wohl Ausdruck dafür, wie locker und befreit wir inzwischen mit der Erinnerung an den Holocaust umgehen, oder wie?

  • F
    Fotodrescher

    Naja, ein Stelenfeld aus Beton kann man wohl nicht wirklich schänden. Man kann sich allerdings im Suff schlecht benehmen. Und gerade Berliner Suffköppe sind da grenzenlos. Sie pinkeln in Hauseingänge, in U-Bahnzugänge oder Fußgängerunterführungen. Und eben auch in ein Mahnmal. Die Stiftung, die das Stelenfeld errichtet hat, kann es gerne auf eigene Kosten von 50 Leuten bewachen lassen. Lasst die Kirche im Dorf. Bereits Tage nach Eröffnung gab es Aufregung, weil Jugendliche von Stele zu Stele sprangen. Wollt Ihr ein Mahnmal, bei dessen Besuch die Menschen voller Ehrfurcht vor den Opfern des Holocaust erstarren? Oder wollt Ihr ein Mahnmal, dass die Berlineer als Teil ihrer Stadt annehmen? Dann sollte man auch solch unangenehme Begleiterscheinungen zur Kenntnis nehmen, das Stelenfeld putzen und das britische Filmchen wie viele andere Internetfilmchen wieder vergessen.

  • TA
    Toll ausgeführtes Denkmal

    Ein echt gelungenes Denkmal. Durchdacht und von der Bevökerung bestens angenommen. Günstig und doch aussagestark. Um es zu schützen wären Wachtürme und Stacheldraht eventuell eine Lösung.

    • @Toll ausgeführtes Denkmal:

      Günstig war es nicht. Aber Preiswert, da es seinen Preis wert war.