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Hogwarts in der Lausitz

Zauberschüler gab es auch schon vor Harry Potter. In seinem Buch „Hinter den Türen“ greift Martin Beyer bewusst auf einen der Urväter des Genres zurück, wie er im Interview erzählt

Interview: FRANK SCHLIEDERMANN

Ein junger Bursche flieht aus seinem Elternhaus. Dort ist etwas passiert, das nicht hätte passieren dürfen. Was, das bleibt zunächst im Unklaren. Vander, so heißt der Junge, streunt fortan scheinbar ziellos durch die dünn besiedelte Lausitz des 17. Jahrhunderts, angetrieben von einer inneren Stimme, die mehr über ihn zu wissen scheint, als er selbst. Inspiriert wurde der Autor Martin Beyer bei der Arbeit an seinem Roman Hinter den Türen von seiner erklärten Lieblingslektüre, dem weltberühmten Jugendbuch Krabat von Otfried Preußler.

taz hamburg: Der Untertitel des Buches lautet „Roman nach Motiven der Krabat-Sage“. Was genau bedeutet das?

Martin Beyer: Die Krabat-Sage ist ein alter Sagenstoff aus der Lausitz. Krabat ist eine wichtige Symbolfigur für diese Region, er steht für die Überwindung von falsch ausgeübter Macht. Der Sage nach besiegt Krabat einen Meister der schwarzen Künste und wendet seine Kräfte dann für das Wohl der Menschen an.

Worin unterscheidet sich die Geschichte des Zauberschülers Vander von der Krabats?

Mein Buch nimmt hauptsächlich im letzten Kapitel Elemente der Krabat-Sage auf, die anderen Kapitel haben damit nicht viel zu tun und sind von anderen Texten, Bildern und Musikstücken beeinflusst. Der große Unterschied zwischen beiden Figuren ist sicherlich, dass Vander von Anfang an Schuld auf sich geladen hat. Und er kann seinen Untergang nur verhindern, indem er sich dieser Schuld stellt.

Was hat dich bei deiner Arbeit stärker beeinflusst, der Trickfilm oder die literarischen Vorlagen?

Ich denke, dass mich die Optik des Films stärker beeinflusst hat als die Buchfassungen. Ich habe auch bewusst darauf verzichtet, mich zu stark an den Texten zu orientieren, sondern eher versucht, meinen Kindheitserinnerungen auf die Spur zu kommen.

Vanders Schicksal scheint auf grausame Weise vorbestimmt zu sein. Ist das auch deine Sicht der Dinge?

Nein. Ich glaube, es geht darum, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen – das beinhaltet natürlich, dass es so etwas wie ein Schicksal geben muss. Einen radikalen Freiheitsbegriff, wie ihn im Buch die so genannten Sahilisten vertreten, würde ich persönlich anzweifeln.

Also ist Vander auch seines Glückes Schmied?

Er muss lernen, sein Leben selbst zu steuern, sonst geht er den vorgezeichneten Weg, der ihn in den Untergang treibt.

Du hast die Originalschauplätze der Krabat-Sage besucht...

...ja, aber mit eher gemischten Gefühlen. Einerseits hatte ich den Eindruck, dass die Sage dort noch lebendig ist und von den Menschen mündlich weitertransportiert wird, was ich sehr wichtig finde. Es gibt andere Bestrebungen, die Krabat-Figur als Aushängeschild der Region Lausitz zu vermarkten. Bleibt nur zu hoffen, dass es da keinen Ausverkauf geben wird. Es braucht sicher keine Krabat-Fußmatten, um die Sage lebendig zu halten.

In Hinter den Türen kommen immer wieder Figuren aus anderen deiner Bücher vor, zum Beispiel der Sterzik. Ist das eine Reminiszenz an alte Werke oder steckt dahinter eine Art Masterplan?

Nein, kein Masterplan. Ich bin aber ein großer Freund von Intertextualität. Ich zitiere gerne, spiele gerne auf andere Texte an, die mich beeinflusst haben. Bei Sterzik hatte ich das Gefühl, dass er sehr gut auch in den neuen Text hineinpasst, allerdings spielt er nur eine Nebenrolle.

Wie erklärst du dir den Reiz, den Parallelwelten wie Mittelerde oder die Zauberschule in Hogwarts zur Zeit gerade auch auf Erwachsene ausüben?

Wahrscheinlich liegt es daran, dass sie die Fantasie anregen. An diesen Orten ist fast alles möglich und fast alles scheint anders zu sein. Der Fantasie sind also kaum Grenzen gesetzt, und das gibt dem Leser oder dem Zuschauer die Möglichkeit, seine Sehnsucht nach Ausbruch aus dem Alltag zu erfüllen. Und diese Sehnsucht haben ja gerade auch Erwachsene, insbesondere, wenn die Zeiten nicht so rosig sind.

Lesung: Do, 21 Uhr, Buchhandlung Blauer Affe, Friedrichstr. 28Martin Beyer: Hinter den Türen; Eskapis-Verlag 2002, 220 S., 13,90 Euro

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