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Hoffnung für HIV-InfizierteTherapierte nicht mehr ansteckend

HIV-Infizierte sollen nicht mehr ansteckend sein, solange sie Medikamente nehmen, sagt eine Studie. Selbst bei ungeschütztem Sex. Wird nun alles gut?

Krankheit, Pille, Kunst: Damien Hirsts " HIV AIDS, Drug Combination". Bild: dpa

Die Botschaft macht seit Mitte voriger Woche in der schwulen Szene sowie bei HIV-Infizierten Furore. Ins Gespräch gebracht hat sie die Eidgenössische Kommission für Aidsfragen in der jüngsten Ausgabe der Schweizerischer Ärztezeitung: Wer den HI-Virus in sich trägt, dies nach einem Test weiß, aber medikamentös behandelt wird, überträgt beim ungeschützten Sex keine Infektion. Deutlicher formuliert: Wer HIV-positiv ist, sich aber durch die seit 1996 auf dem Gesundheitsmarkt erhältlichen Präparate behandeln lässt, kann vögeln so viel er oder sie will - einE HIV-negativeR PartnerIn wird nicht durch ihn (oder sie) in Mitleidenschaft gezogen.

Herausgefunden haben dies die Schweizer Epidemiologen nach jahrelangen Untersuchungen einer aussagekräftigen Stichprobe, vor allem bei Paaren, bei denen eineR positiv ist, eineR nicht. Der HIV-negative Partner infizierte sich bei seinem positiven Partner selbst beim kondomlosen und aidsriskanten Sex nicht. Pietro Vernazza, Leiter der Infektiologie des Kantonsspitals St. Gallen und Präsident der Ethikkommission, mahnte trotz der Befunde seiner Arbeitsgruppe jedoch an, dass nun keineswegs die Regeln des sicheren Sexes (eben: mit Kondom) missachtet werden sollten. "Wir sagen lediglich, einige sind nicht ansteckend." Voraussetzung für diesen enthysterisierten Umgang mit HIV-positiven Menschen sei aber, dass man sicher davon ausgehen könne, dass sie die HIV-Infektion medikamentös gegen null dämpfen lassen.

Vernazza will keineswegs garantieren, dass es keine HIV-Infektion geben könne, aber die Wahrscheinlichkeit liege unter null. Auch der Beweis, dass man durch Küsse niemals und unter keinen Umständen infiziert werde, sei nicht zu erbringen. Dennoch werde der Mund-zu-Mund-Kontakt allgemein als gefahrlos anerkannt, weil andererseits auch keine Infektion durch ihn erwiesen werden konnte.

Luis Carlos Escobar von der Deutschen Aidshilfe in Berlin begrüßt, dass "durch den Anstoß der Schweizer" es "nun zu einer öffentlichen Debatte über die Auswirkungen der antiretroviralen Therapie auf die HIV-Prävention kommt". Tatsächlich ist mit dieser Studie jeder Hysterie in Sachen Aids der Boden entzogen. Wer sich testen und nach einem HIV-positiven Resultat behandeln lässt und die Disziplin der Kur auch einhält, ist keine, so ja die öffentliche Fantasie, monströse Virenzeitbombe.

In Deutschland leben 59.000 Menschen mit einer HIV-Infektion; die Chance, an ihr akut zu sterben, ist geringer als die, einen Herzinfarkt zu erleiden oder Opfer eines Verkehrsunfalls zu werden. Jahr für Jahr, so schätzt das Robert-Koch-Institut in Berlin, infizieren sich in Deutschland etwa 3.000 Menschen neu mit dem HI-Virus. Die Idee eines Gesetzentwurfs zu HIV-Infizierten kam noch vor anderthalb Jahren aus der Union: Bestraft werden sollten künftig alle, die im Wissen um ihre HIV-Infektion ungeschützten Sex mit anderen haben. Pietro Vernazza sagt dazu: "Die Justiz muss die medizinischen Fakten unbedingt berücksichtigen. Wenn jemand nicht ansteckend ist, kann er nicht wegen versuchter Ansteckung verurteilt werden." Könnte sein, dass sich die Aidsaufgeregtheiten der mittleren Achtzigerjahre endgültig legen.

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12 Kommentare

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  • E
    einleser

    als betroffener möchte ich einmal folgendes zu bedenken geben: bei sex mit unbekannten partnern sollte man sich nicht nur wegen einer hiv-infektion mit kondom schützen, sondern auch wegen einer fülle anderer sexuell übertragbarer krankheiten - d.h. ziel jeder prävention sollte immer die verwendung bei solchen kontakten, die benutzung eines kondoms sein!

    aber als betroffener kann ich nicht verhehlen, das ich es schon längst notwendig fand, darüber zu diskutieren ob es nicht sinnvoller wäre, menschen mit riskanten sexualverhalten dazu zu motivieren einen test zu machen und sich gegebenenfalls behandeln zu lassen, als die relativ wenigen getesteten und behandelten positiven wie aussätzige zu behandeln (was immer noch stattfindet, wenn man es offen sagt!) - denn so wird man die testfreude dieses personenkreises kaum positiv beeinflussen - solange ich selbst keine kenntniss habe von meiner ansteckung kann ich nicht nach einem ungeschützen verkehr rechtlich belangt werden, weiß ichs, sehr wohl - spricht gegen testen. keinen unproblematischen one-night-stand mehr, keine lebensversicherung mehr, ausgrenzungen im job, in der gesellschaft, selbst in so angeblich toleranten communties wie der gayscene ... und das alles, obwohl man gar nicht mehr ansteckend ist - Warum sollte sich ein singel testen lassen um all dies erleben zu dürfen? ... so wird die Infektion sich aber wesentlich einfacher weiter verbreiten, denn der unbehandelte ist wesentlich infektiöser als der behandelte positive - die richtigen maßnahmen zur prävention werden damit immer absurder ... aus meiner sicht.

  • K
    Knut

    Welche Hoffnung für HIV-Infizierte meint der Autor hier zu entdecken? Im alltäglichen (nicht-sexuellen) Umgang sind und waren HIV-Infizierte niemals ansteckend, egal ob mit oder ohne Medikamente. Zu implizieren, wer sich nicht testen und behandeln ließe, wäre eine "monströse Virenbombe" ist eine Frechheit und grenzt an Volksverhetzung. Volksverdummung ist es auf jeden Fall.

    HIV kann nur übertragen werden, wenn sich jemand auf Sex ohne Kondom einlässt; und das hat nach wie vor jeder selber in der Hand!

  • RD
    ritterin der rosette

    nunja, worum geht es offenbar in der schweizerischen untersuchung? um die längsschnittstudie einer aussagekräftigen probandengruppe.

    fehlerquellen werden indirekt genannt: aussagen über das tatsächliche sexuelle geschehen, d.h. safer sex oder nicht, monogame beziehung oder nicht,....

    doch auch so dürfte nicht nur angesichts der vorsicht des angeführten mediziners bei der interpretation der daten eben die große erleichterung (oder anderes) ausbleiben, sollte zumindest ausbleiben, denn hier geht es letztlich um statistische wahrscheinlichkeiten, die doch auf allerlei ungenauigkeiten und daher ihre aussagekraft allein schon im statistischen verfahren zu prüfen wären, leider werden diesbezüglichje informationen oder fragen an die quelle in dem artikel des herrn feddersen nicht genannt, was durchaus fahrlässig ist.

    zumal als homosexueller sollte er um a) den umgang in der (nicht immer gebildeten) "gayx community" wissen und hier zu großer euphorie mit einem wissen um statistische verfahrungen und genauigkeitsaussagen agieren, um den teppich der realität nicht zu verlassen.

    b) ändert es eben -wie von einigen leserkommentatoren erwähnt- nichts an dem umstand, daß -vermutlich vor allem bei heterosexuellen- das gefahrenbewußtsein und die quote des wissens um den eigenen (aktuellen) serostatus vergleichsweise gering ist.

    dieser umstand kommt leider auch bei den epidemiologischen bulletins des rki nicht unbedingt zur sprache.

    bei den homosexuellen sollte nach wie vor nicht allein im interesse einer vermeidung von neuinfektionen das "offen schwule" ausleben dieses identitätsaspektes thematisiert werden, was eben nicht für jeden und überall leistbar ist.

    die hoch unseriöse, eher an politische stimmungsmache erinnernde, maneo-umfrage mal in den abfalleimer des nun wirklich überflüssigen gegeben, sei hier vor allem auf die untersuchung von hutter et al. verwiesen, in der eine korrelation zwischen den variablen hiv-infektion und "offen schwul lebend" (um das mal in meinen worten auf einen nenner zu bringen) festgestellt wurde.

    von daher besteht eigentlich alles andere als anlaß zu entwarnungen.

  • JP
    Johan Pauligk

    @ Dr. Neitz...bitte informieren Sie sich über die sog. Frühtherapie bei den Kompetenzzentren im Bereich HIV.

    Wer früh therapiert lebt länger (besonders bei Therapienaiven Stämmen).

    Resistenzen entstehen bei mangelnder Compliance.

  • DN
    Dr. Neitz

    Ich kann nur davor warnen, jetzt Präventionsmassnahmen aufzugeben - die Infektoin ist nicht heilbar und die Medikamente sind teuer und haben gravierende Nebenwirkungen, müssen aber trotzdem auf Dauer eingenommen werden!

     

    Zudem beginnt man auch bei bekannter Infektion mit der Therapie erst spät, um Resistenzen zu vermeiden! Die untherapierten mit enorm hohen Viruslasten übertragen zuverlässig das Virus!

     

    Nur Kondome schützen Euch!!

  • L
    Leonardo

    viele wissen überhaupt nicht von ihrer infektion und die wahrscheinlichkeit als autofahrer im straßenverkehr andere verkehrsteilnehmer zu töten oder verletzen ist deutlich höher!

    denk mal darüber nach!

  • M
    Marcus

    die meisten wissen um ihre infektion doch gar nicht und übertragen HIV unwissentlich

  • JP
    Johan Pauligk

    @ Simian Raticus:

     

    Das hat keiner behauptet, mehr Aufmerksamkeit beim lesen bitte.

     

    Es war die Rede von Therapierten, nicht vom Durchschnittsbarebacker oder Dorfdiskohengst.

     

    Es würde mich nicht wunder nehmen wenn durch die Pillen eine Zweitinfektion nahezu ausgeschlossen wäre wegen des im Körper vorhandenen Abwehrpotenzials (natürlich nur wenn VL = unter Nachweis + Massiver Helferzellspiegel....wie eine Impfung eben...)

  • N
    nachdenker

    Eine negative Wahrscheinlichkeit heißt: wenn das Ereignis eintritt wird das Raum-Zeit-Gefüge in sich zusammenbrechen, die Erde sich in ein riesiges rosa Kaninchen verwandeln und alle Lebewesen darauf implodieren, ob Sie HIV-infiziert waren oder nicht.

    Eine weiterer Beweis für eine übertriebene Hysterie im Umgang mit dem Thema HIV.

     

    Nein im Ernst, irgendwie ist dieser Artikel seltsam und hinterläßt einen Beigeschmack von ähm ja, Sie wissen schon. Mmh. *schulterzuckÜ

  • W
    W.Hartmann

    In der kleinen Überschrift ist lediglich von Hoffnung die Rede.

     

    Fett Gedruckt: ""Therapierte nicht mehr ansteckend"

     

    Gratulation! Damit habt Ihr ja selbst Bildzeitungsniveau unterschritten.

     

    Die Wahrscheinlichkeit geht gegen Null heisst, wer Glück im Lotto hat, landet auch hier vielleicht einen Treffer. Na Super!!

     

    Gut Ihr darüber so seriös berichtet habt.

  • G
    galileo

    wie kann denn eine wahrscheinlichkeit unter 0 liegen? ich hoffe, die wissenschaftler haben sorgfältiger gearbeitet...

  • SR
    Simian Raticus

    Ach so, deswegen hat sich seit 1996 niemand mehr mit AIDS infiziert...

    Ich hatte mich schon gewundert!