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Gastkommentar„Hoffmann waghalsig“

■ Aber Bremens Dramatik liegt woanders

Darf Politik mehr Geld ausgeben als sie hat? Natürlich darf sie, nur nicht jeder. Wenn Staatsräte den Haushalt nicht ernst nehmen, ist das ein Skandal. Wenn Regierung und Parlament sich einen Dreck um Haushaltszwänge und fehlende Gelder scheren, ist das politischer Alltag. Das Kollektiv darf ungeniert den Staatsbankrott riskieren.

Als Bremen nach dem Richterspruch von Karlsruhe vom Bund 10 Milliarden zugesagt erhielt, gelobte es, die gigantische Schuldenlast von eingestandenen 16 Milliarden mit diesem Geld bis 1998 auf 10 Milliarden zu senken. Inzwischen wissen wir, was die Politik damit nicht macht: die Schulden reduzieren. Ungeniert und ungerügt von der Parlamentsmehrheit verkündet der Senat, in den nächsten 10 Jahren werde Bremen doppelt soviel Schulden haben wie zu Beginn des Sanierungsprogramms, nämlich 30 Milliarden. Trotzdem erklärt die Große Koalition weiterhin dreist, sie saniere Bremens Finanzen. Kein Großprojekt, das sie beschließt, ist finanziell gedeckt. Mit den Bonner Sanierungsmitteln finanziert der Senat seine laufende Politik und nennt das negative Schuldentilgung.

Bremens Haushaltspolitik ist in den letzten Jahren schon von Ampels Zeiten her ein einziger Schwindel gewesen. Im Parlament werden Haushalte beschlossen, die schon bei ihrer Einbringung Makulatur sind. Wo das Gesetz mit der Finanzplanung solide Haushalte erzwingen will, stehen in Bremen Lügengeschichten: Jahrelange Nullrunden, keine fälligen Bürgschaften, regelmäßig steigende Steuereinnahmen, keine Haushaltszuwächse, das ist der Sand, auf den Nölle seine Finanzplanung baut, die kein Parlamentarier mehr ernst nimmt und erst recht nicht die Verfasser im Haus des Reichs. In Schattenhaushalten hantieren Verwaltungsbeamte und Staatsräte ohne öffentliche Kontrolle mit Millionen öffentlicher Gelder. Ein Mann wie Wirtschaftsstaatsrat Haller kann souverän über Millionen verfügen, ohne daß der Rechnungshof ihm je auf die Schliche kommen könnte.

In dieser Situation hat Hoffmann seinerzeit im Bildungsressort unter Scherf versucht, Schulen nicht weiter verkommen zu lassen. Das war keine Machtgier, das war der verzweifelte Versuch, das Bildungswesen nicht weiter verrotten zu lassen. Wahrscheinlich hat er dabei getrickst. Er ist kein Leuchtturm der Haushaltsredlichkeit in Zeiten, wo „Rette sich wer kann“, die Losung ist. Vermutlich hat Hoffmann geglaubt, den Mittelabfluß so steuern zu können, daß Schulen saniert werden können, die nach bloßer Buchhaltermanier nicht mehr zu retten waren. Über das Steuern des Mittelabflusses notfalls über Haushalte hinweg können Maßnahmen verwirklicht werden, die sonst bis zum Sankt-Nimmerleinstag dauern. Wenn es um das Bezwingen von scheinbaren Unüberwindlichkeiten geht, kann Hoffmann waghalsig sein. Da muß der letztverantwortliche Senator schon aufpassen.

Die Rechnungshofbemerkung, die wochenlang im Bildungsressort herumlag, von wo die Stellungnahme kommen muß, die dann erst zum endgültigen Bericht des Rechnungshofs an die Bürgerschaft führen wird, wo darüber diskutiert werden kann, ist keine so dramatische Angelegenheit. Bremens Dramatik liegt woanders. Aber die vorläufige Bemerkung gibt journalistische Gelegenheit, einen Mann anzuschießen, der so gar nicht nach dem Gusto von Presseleuten ist, die einst unter Wedemeier Hätschelkinder im Rathaus waren, wo jetzt spröde Sitten herrschen. Der Angriff auf Hoffmann ist ein Angriff auf Scherf, der ohne diesen Staatsrat an seiner Seite geliefert ist. Hier wird beileibe kein Finanzskandal diskutiert, sondern die Lunte an ein Pulverfaß gelegt. Wer auf Hoffmann zielt, meint Scherf und die Große Koalition. Dafür kann es Gründe geben. Wir haben sie genannt. Dann aber raus mit der Sprache und keine Hinterfotzigkeit mit vorläufigen Rechnungshofbemerkungen.

Horst-Werner Franke, Ex-Bildungssenator, Windhorst

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