Hoffen auf den neuen Bildungssenator

■ Die Erwartungen an Willi Lemke sind enorm: Schulleiter erzählen, wo an ihrer Schule der Schuh drückt / Die meisten wollen erst einmal abwarten, wie der Ex-Manager sich so macht

An Bremens Schulen gibt es hohe Erwartungen an den neuen Bildungssenator, der angekündigt hatte, die Schulen besuchen und den Sorgen „zuhören“ zu wollen. Die Leiterin der Gesamtschule Mitte, Jutta Fernholz, hofft, „daß man das Gefühl bekommt: Da ist jemand, der sich für Schüler einsetzt, und man nicht meint, gegen Wände zu rennen“.

Allerdings geht es nicht nur um das gute Gefühl, sondern um handfeste Verbesserungen: „Anspruch und Schulwirklichkeit klaffen im Moment weit auseinander.“ Wenn sie an die in der Koalition vereinbarten bildungspolitischen Eckwerte denkt, sieht sie schwarz: Kürzungen bei den Sachmitteln um 2,1 Prozent pro Jahr stehen im Koalitionsvertrag, 320 Lehrerstellen sollen in Bremen eingespart werden. Fernholz hofft, daß Willi Lemke mehr Kraft als die SPD-Politikerin Bringfriede Kahrs haben wird, dem Finanzsenator mehr Geld für Bildungsbelange abzuhandeln.

Der Schulleiterin werden im nächsten Jahr ca. 40 Lehrerstunden fehlen: Zwei Kollegen haben Alterszeitbegrenzung beantragt, dafür kommt aber keine neue Kraft an die Schule, „die Behörden können den Bedarf nicht decken“. In der gymnasialen Oberstufe in Huchting liegt der Altersdurchschnitt der Lehrer bei 57 Jahren. „In wenigen Jahren gehen die Pensionierungen los, und das reißt Löcher“, fürchtet Direktor Gerd Feller. Insbesondere im gesellschaftswissenschaftlichen Bereich steuern die Kollegen reihenweise auf die Pensionierung zu. Wenn die nicht ersetzt würden, gebe es Fächer wie Pädagogik oder Wirtschaft möglicherweise gar nicht mehr im Angebot, sorgt sich Feller: „Bleiben unsere Schüler dann in Huchting, oder gehen die woanders hin?“

„Durch einen rechnerischen Überhang im Sek-II-Bereich werden Lehrer freigesetzt“, sagt Direktor Dr. Karl Reinecke. Dadurch verschlechtere sich die Unterrichtssituation. Bei 1,6 Stunden Lehrerzuteilung pro Schüler ist man im Sekundarstufen-II-Zentrum an der Kurt-Schumacher-Allee jetzt. Für das nächste Schuljahr werden die Schülerzahlen pro Kurs erhöht. Statt fünf Kursen à 20 Schülern gebe es dann vier mit 25 Jugendlichen. „Wenn Lemke es nicht fertig bringt, mehr Geld in das Ressort zu lenken, wird unsere Zukunft kaputt gemacht“, sagt Reinecke.

Die Koalitionsvereinbarung sieht bis zum Schuljahr 2001 eine „verläßliche Grundschule“ vor. „Bei diesen Kürzungen“, sagt Elke Arend von der Bürgermeister-Smidt Grundschule, „gibt es keine Krankenreserve, keine Förderung ausländischer Kinder, ein verläßlicher Unterricht bis 13 Uhr ist nicht zu gewährleisten“.

Auch bei den Bausanierungsmitteln fehlen 70 Millionen Mark. Einen großen „Sanierungsstau“ räumt auch der Behördensprecher ein. „Unsere Schule platzt aus allen Nähten, und die Heizung läßt sich nicht regeln“, klagt Fenholz von der GSM. Kollege Feller schimpft über „die verdammten Flachdächer, die in schöner Regelmäßigkeit kaputt gehen“ und es reinregnen lassen.

Im Sek-II-Zentrum Karl-Schumacher-Allee sind die Bücher, mit denen Direktor und Englischlehrer Reinecke arbeitet, zum Teil 35 Jahre alt. Die Computer für den Informatikunterricht hätten museumsreife. Gerade mal zehn neue Geräte gebe es. Ähnlich geht es der Gesamtschule Mitte. Für das gemeinsame Comeniusprojekt mit Schulen in Rumänien, Italien, Polen und Schweden braucht die Bremer Schule Internet-Anschluß, um per e-mail den Kontakt zu den dortigen Schulen herzustellen. Als Computer bekamen sie die ausgemusterten Rechner von der Sparkasse, allerdings bisher ohne Monitore.

Vergleicht man die Lehrerversorgung in Bremen mit der anderer Bundesländer, steht Bremen rein statistisch nicht so schlecht da. „Aber man kann einen Stadtstaat nicht mit einem Flächenstaat vergleichen“, sagt Jürgen Burger, Landesvorstandssprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Im Vergleich mit Hamburg und Berlin ist Bremen in fast allen Schulstufen schlechter gestellt“. Bei den Koalitionsverhandlungen 1995 sei eine Ausnahme vom allgemeinen Stellenabbau für die Polizei gemacht worden. Die GEW hofft, daß Lemke dies für den Schulbereich jetzt durchsetzen kann und wenigstens den Wegfall von 320 Stellen revidieren könnte. Im Durchschnitt müßte sonst jede Bremer Schule mit zwei Stellen weniger auskommen. Gerd Feller vom Schulzentrum Sek II in Huchting will erstmal abwarten: „Unsere Hoffnungen sind bisher oft enttäuscht worden“. dok