Hörthriller zur Griechenlandkrise: Erzengel auf Rachefeldzug
Bedrückende Atmosphäre, gute Sprecher: In zwei Teilen sendet der WDR „Das Perseus-Protokoll“, einen Krimi im Griechenland der Krise.
Eigentlich wollte Maria Brecht im Urlaub in Kretas Berglandschaft den Kopf frei kriegen. Doch in der Einöde begegnet die Politikstudentin einem unscheinbaren Mann, der an seinem Auto lehnt und ihr eine Cola anbietet. Aber irgendetwas stimmt nicht: An der Stoßstange des Wagens klebt Blut, Schleifspuren führen ins Gebüsch.
Sie verabschiedet sich hastig. Doch der Unbekannte folgt ihr, drängt sie von der Straße. Starr vor Angst klammert sich Brecht an einen Felsvorsprung. Die Schritte entlang des Abhangs über ihr werden lauter. Schließlich gelingt es ihr, den Verfolger in die Flucht zu schlagen.
Es ist der Auftakt zu einem bemerkenswerten Zweikampf, den das spannende WDR-Hörspiel „Das Perseus-Protokoll“ nach der Romanvorlage von Kai Hensel in zwei Stunden erzählt.
Landesweite Verschwörung
Den Hintergrund für das Duell liefert die allgegenwärtige Finanzkrise auf dem griechischen Archipel. Was als Kammerspiel beginnt, mündet in die apokalyptischen Wirren einer landesweiten Verschwörung: Schuld am Schuldenwahn sind die von Korruption und Vorteilsnahme zerfressenen Athener Eliten.
Eine radikale Gruppe, die das Unheil kommen sah, holt nun zum Gegenschlag aus – anhand des ebenso perfide wie akribisch ausgearbeiten „Perseus-Protokolls“ (der altgriechische Heroe schlug einst der Medusa den Kopf ab). Die Terroristen im Bürgerzwirn, die von einem Staatssekretär im „Ministerium für Bürgerschutz“ angeführt werden, sehen sich als „Helden, die für die Unterdrückten zum Schwert greifen“.
Der Plan: Ein Giftgasanschlag soll die gesamte griechische Regierung auslöschen. Ausführen soll ihn Gabriel. Er ist der Killer (fanatisch: Fabian Gerhardt), dem Maria Brecht (Tanja Schleiff) auf Kreta begegnet. Die Inselpolizei schickt Brecht aus Sicherheitsgründen ins krisengebeutelte Athen. Dort erfährt sie von der transsexuellen Journalistin Eléni (hervorragend: Gustav Peter Wöhler) von dem Anschlagsplan. Gehetzt ermitteln beide, während die Lage zu eskalieren droht.
Es mangelt an Tiefe
Die wendungsreiche, rasante WDR-Produktion lebt vom ständigen Wechsel der Erzählperspektive, dem Katz-und-Maus-Spiel zwischen Maria und Gabriel. Die Atmosphäre ist bedrückend. Doch das Hörspiel folgt zu sehr der Prämisse, dem zähen europäischen Kreditgerangel einen derben Knalleffekt zu verpassen. Dem Audio-Blockbuster von Regisseur Martin Zylka mangelt es an Tiefe.
Der Wunsch, die existenziellen Schicksale der Menschen im Land abzubilden, ist hörbar, die konsequente Umsetzung dessen nicht. So gibt es am Ende ein blutrünstiges Feuerwerk. Den außer Kontrolle geratenen Erzengel Gabriel interessieren weder gesellschaftliche Ideale noch Rettungsschirme.
„Das Perseus-Protokoll“: Samstag, 29.9. 10.05 Uhr, WDR 5
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