Hörbuch von und mit YouTuber LeFloid: Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß
Anschaulich erklärt LeFloid Geschichte und Abläufe unserer Demokratie. Die Hörer sollen ihre „Ärsche bewegen und zur Wahl gehen“.
Wenn ein CSU-Kommunalpolitiker in einem oberbayerischen Bierzelt einem empörten Bürger sagt: „Da kann man nichts machen, das ist halt die Demokratie“, lässt er außer acht, dass er damit unsere Staatsform diskreditiert. Denn er impliziert, dass sie ein zu ertragendes Übel ist. Na, könnte man das ironisch abtun, nach 60 Jahren Alleinherrschaft verliert man vielleicht ein paar Dinge aus dem Blick. Die zerstörerische Sprengkraft von Stammtischpolitik ist trotz ihrer Belanglosigkeit enorm.
Dinge, die einem vertraut sind, werden in der Regel mehr geschätzt (Gott bewahre, hier soll natürlich nicht behauptet werden, besagter Politiker wüsste nicht, wovon er spricht). Das findet auch LeFloid, alias Florian Mundt, der auf mehreren YouTube-Kanälen Themen kommentiert, die Jugendliche betreffen und gerade in der medialen Manege ihre Kreise ziehen. Millionen von Jugendlichen gefällt das.
In „Wie geht eigentlich Demokratie“ nimmt sich der 29-jährige Psychologiestudent die Funktionsweise unseres politischen Systems vor. Die anfängliche ostentative Flapsigkeit verhallt glücklicherweise schnell, der als Synchronstimme von Vin Diesel bekannte Martin Kessler erklärt die Fakten. Dabei gelingt es ihm, zwischen hollywoodesker Coolness und Sachlichkeit ein gutes Maß zu finden. LeFloid untermauert die Hardfacts in gewitztem Duktus mit Beispielen aus der aktuellen Weltpolitik – was das Hören heute sehr interessant macht, die Halbwertszeit des Hörbuchs allerdings verkürzt.
Zunächst gibt er einen Abriss über die Geschichte der Demokratie in Deutschland, beginnt mit der DDR und zieht dann die Kreise bis zur Weimarer Republik und in die Gegenwart. Diese nichtlineare Erzählstruktur innerhalb der Themenkomplexe, etwa auch beim Thema EU, macht das Hörbuch lebendig und lädt zum aktiven Zuhören ein.
Fakten und Meinung
Nachdem Grundgesetz, Rechtsstaat, Sozialstaat und Bundesstaat eingeführt sind – verwendete Fremdwörter werden kurz umschrieben –, erläutert LeFloid Funktionen und Tätigkeitsfelder von Bundestag bis Verfassungsgericht, bringt Gesetzgebung und Rechtsprechung mit Regierungshandeln in Zusammenhang. Wiederholt verweist er auf aktuelle undemokratische Vorgehensweisen demokratisch gewählter Staatschefs wie Erdoğan und Trump.
Beim Thema Rente erwähnt er den „nicht mehr funktionierenden Generationenvertrag“, belässt es aber bei der Phrase, dass die „junge Generation die Zeche zahlen muss, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird“. Bildungsföderalismus oder Auslandseinsätze dagegen werden nicht nur erläutert. Pro- und Contra-Listen veranschaulichen – durch einen akustischen Peitschenhieb strukturiert – das Wohl und Wehe der Demokratie: Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, ein für alle tragbarer Kompromiss ist Teil der Lösung.
LeFloid: „Wie geht eigentlich Demokratie?“. Autorisierte Lesefassung, 3 CDs, 220 min., Argon Hörbuch
Bei der Diskussion über Volksabstimmungen nutzt LeFloid in einem Einschub über Populismus die Gelegenheit, auf den Unterschied zwischen Fakten und Meinung hinzuweisen – ein gerade in seinem Metier virulentes Thema. LeFloid erweitert das Kernthema um Themenfelder wie Politik als Beruf, Parteien, Medien, soziales Engagement oder Zivilgesellschaft, was für Interessierte Ausgangspunkt für eigene Recherchen sein könnte. Dass er sich das erhofft, macht eine Liste ausgesuchter Links wie etwa dem zur Bundeszentrale für politische Bildung deutlich.
In einem flammenden Plädoyer fordert LeFloid seine Hörer*innen auf, „ihre Ärsche zu bewegen“ und zur Wahl zu gehen. Denn wenn sie es nicht täten, seien sie moralisch sogar NPD-Wähler*innen unterlegen. Mit diesem Statement verlängert er die Halbwertszeit von „Wie geht eigentlich Demokratie?“ allerdings enorm.
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