Hochschulen wollen mehr Geld vom Finanzsenator: Unis nagen am harten Knochen
BerlinsUniversitäten fürchten um 15.000 Studienplätze, wenn das Land seine Zuschüsse ab 2010 nicht erhöht. Wissenschaftssenator Zöllner sieht das ähnlich. Doch Finanzsenator Sarrazin will derzeit nicht einmal verhandeln.
Berlins Hochschulen fürchten um ihre Finanzen. 15.000 Studienplätze seien in Gefahr, rechneten die Präsidenten der vier Berliner Universitäten am Montag vor. Die ihrer Meinung nach einzig mögliche Rettung: 160 Millionen Euro jährlich mehr vom Land ab 2010. Doch das Geld ist alles andere als sicher. Zwar sieht Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) den Mehrbedarf der Unis. Doch Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) sieht nicht einmal Verhandlungsbedarf.
Ende nächsten Jahres läuft der aktuelle Hochschulvertrag aus, in dem der Senat der Freien Universität, der Humboldt-Uni, der Technischen Uni sowie der Universität der Künste Zuschüsse zugesagt hat. Damit sie schon jetzt für das Jahr 2010 planen können, drängen die Hochschulleitungen schon seit Wochen zu neuen Verhandlungen. Ohne Erfolg: Zöllner erklärt zwar, "dass die Berliner Hochschulen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit auf eine wachsende finanzielle Ausstattung in den nächsten Jahren angewiesen sind." Einen Gesprächstermin hat er jedoch nicht zugesagt.
Dass Zöllner es mit den Universitäten gut meine, daran zweifle keiner, sagt TU-Präsident Kurt Kutzler. "Mit unseren Zahlen wollen wir den Senator in den kommenden Verhandlungen nur argumentativ unterstützen." Denn bei allem Wohlwollen Zöllners: Der Mehrbedarf der Universitäten ist im Haushaltsentwurf für 2010 nicht vorgesehen. Und Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hat bereits angekündigt, die Zuschüsse nicht erhöhen zu wollen. In einem Leserbrief an die FAZ verkündete er kürzlich, die "erheblichen Mängel unseres Bildungssystems" hätten mit seiner finanziellen Ausstattung nichts zu tun. "Das ständige Geschrei nach mehr Finanzmitteln interpretiere ich auch als die Flucht vor den eigentlichen Problemen", schrieb Sarrazin weiter.
So überrascht es kaum, dass der Finanzsenator den Unipräsidenten gestern eine harsche Abfuhr erteilte: "Ich sehe keinen Anlass, mich vorzeitig auf interessengeleitete Diskussionen einzulassen." Die Hochschulverträge müssten sich langfristig den finanziellen Möglichkeiten Berlins anpassen. Verhandlungen würden erst "zu gegebener Zeit" aufgenommen. Laut Koalitionsvertrag wollen SPD und Linkspartei die Landeszuschüsse für die Unis nach 2009 verstetigen: "Steigende Kosten der Hochschulen (zum Beispiel Mehrwertsteuererhöhungen, Tarifsteigerungen) können nicht berücksichtigt werden."
Genau solche unabwendbaren Kostensteigerungen wollen die vier Unis jetzt jedoch erstattet haben. "Seit Jahren müssen wir sparen", sagt FU-Kanzler Peter Lange. "Der Speck ist jetzt weg, wir sind am Knochen." Die Zahl der Beschäftigten habe seit 1992 um 36 Prozent gekürzt werden müssen, bei den Professuren gar um 46 Prozent. "Eigentlich ist es schon zu spät, um den Abbau zu planen", sagt Lange. "Wenn uns das Geld nicht zugestanden wird, werden wir eine Vollbremsung einlegen müssen."
SOPHIA WISTEHUBE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl