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HochschulePraxisseminar in Selbstausbeutung

Damit Unis ihre Lehrbeauftragten nicht mehr ausbeuten, sollen diese ab dem Wintersemester bezahlt werden. Nun müssen Studierende auf Seminare verzichten - oder die Dozenten doch auf ihr Honorar.

So viele - für so wenig Geld! Da ächzt der Lehrkörper Bild: dpa

Die Bezahlung von Dozenten sorgt für Ärger an der Freien Universität. Weil dort künftig niemand mehr umsonst unterrichten soll, drohen im kommenden Wintersemester Seminare auszufallen. Am Otto-Suhr-Institut stehen sogar über ein Fünftel aller geplanten Veranstaltungen auf der Kippe.

Die meisten Lehrveranstaltungen an den Unis werden von den fest angestellten Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern durchgeführt. Ergänzt wird das Angebot durch die Seminare von Lehrbeauftragten. Die Idee dahinter: Praktiker sollen nebenberuflich ihre Erfahrungen einbringen. Sie bekamen bisher stets nur einen Vertrag über ein Semester. Gewerkschaften und Studierendenvertreter hatten sich allerdings über die wachsende Zahl unbezahlter Dozenten beschwert. Deshalb hatte das Abgeordnetenhaus bei der letzten Reform des Hochschulgesetzes mit den Stimmen von SPD, Linkspartei und Grünen beschlossen, dass Lehrbeauftragte ab dem Wintersemester grundsätzlich zu bezahlen seien. Zusätzliche Mittel erhalten die Unis dafür aber nicht, sagt Christian Walther, Sprecher von Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD).

Das führt nun zur Verteilungskämpfen an den Unis, vor allem dort, wo die Unsitte der Nichtbezahlung besonders ausgeprägt war, wie am Otto-Suhr-Institut (OSI) für Politikwissenschaften. "Dort wurden bisher zwei Drittel nicht besoldet", hat Ronny Matthes vom Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta) errechnet. "Nur in den Rechtswissenschaften finden sich mit 43 Prozent ähnlich hohe Zahlen."

Prekäre Lehre

Schlecht vertreten: Lehrbeauftragte sind die schwächste Gruppe an den Hochschulen. Anders als fest angestellte Professoren, Verwaltungs- und wissenschaftliche Mitarbeiter sowie die Studierenden sind sie nicht in den Hochschulgremien vertreten.

Schlecht bezahlt: 2006 hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) eine Umfrage zur Lebens- und Arbeitssituation der Lehrbeauftragten an der Freien Universität gemacht. Damals gaben 46 Prozent an, dass Lehraufträge ihre Haupteinnahmequelle seien. Aber zwei Drittel konnten von ihrem Verdienst nicht leben, der geringer als 1.000 Euro pro Monat war.

Die Praktikerin: Inga Nüthen bekam für Seminare am Otto-Suhr-Institut 840 Euro für ein ganzes Sommersemester, 960 Euro für ein ganzes Wintersemester. "Wer es ernst nimmt, kommt mit Vorbereitung, Betreuung der Studenten, Sprechstunden und dem Lesen der Hausarbeiten auf einen Stundenlohn von etwa einem Euro", hat sie errechnet.

Der Selbstausbeuter: Privatdozent Hans Günter Brauch hat nach eigenen Angaben zwölf Semester lang Seminare für die Politologen an der Freien Universität gegeben - ohne Bezahlung. "Im Gegenteil, ich habe 10.000 Euro für die Hotels bezahlt", sagt Brauch. Als Privatdozent muss

er Lehrveranstaltungen halten. Ohne sie verliert er die Lehrberechtigung und damit die Chance, jemals eine Festanstellung an einer Universität zu bekommen. Ab kommendem Semester wird er nicht mehr lehren. Er hat bereits eine Absage vom OSI bekommen. (mm)

Bei den Juristen gebe es dennoch keine Einschränkungen im kommenden Semester, versichert Andreas Fijal, Studiendekan am Fachbereich Rechtswissenschaften. Bei den Politologen aber sieht es anders aus. "Ohne die etwa 60 Lehrbeauftragten bricht unsere Lehre zusammen", sagt Johannes Schreiber vom studentischen Fachschaftsrat am OSI. Eine Sichtweise, die von den Professoren geteilt wird. Der Institutsrat, mit dem sich das OSI selbst verwaltet und in dem die Profs die Mehrheit haben, hat einen Lehrplan im alten Umfang beschlossen, für den allerdings das Geld fehlt.

"Das ist jetzt ein Verteilungskonflikt", sagt Professor Sven Chojnacki, der im OSI-Institutsrat den Beschluss mitgetragen hat. Er hofft, dass der übergeordnete Fachbereich, in dem alle Politik- und Sozialwissenschaftsinstitute zusammengeschlossen sind, das Geld gibt. Doch der Fachbereich hat den Lehrplan zurückgewiesen. "Wir können keine Lehraufträge verantworten, die wir nicht besolden können", sagt Ingo Peters, Studiendekan des Fachbereichs.

Der Sprecher der Wissenschaftsverwaltung, Christian Walther, wiederum kann den Streit nicht nachvollziehen. Schließlich bringe jeder Lehrbeauftragte zusätzliche Studienplätze, für die die Universitäten Geld vom Land bekommen. "Das ist kein Problem der Finanzierung, sondern der inneruniversitären Mittelverteilung", sagt Walther.

Unterdessen zeichnet sich in der Uni eine Lösung ab, die weder den Studierenden noch den Lehrbeauftragten Gutes verheißt. Weil es weniger Veranstaltungen gibt, müssten die Studierenden dort enger zusammenrücken, sagt Studiendekan Peters. Zudem prüft er, welche der Lehrbeauftragten hauptberuflich im öffentlichen Dienst beschäftigt sind. "Die sind weiterhin per se nicht zu besolden."

Aber auch Dozenten, die nicht durch den öffentlichen Dienst abgesichert sind, sollen weiter leer ausgehen. Etienne Schneider, Studierendenvertreter im OSI-Institutsrat, sagt, auf die Lehrbeauftragten werde "mehr oder weniger subtil Druck ausgeübt", auf ihre Besoldung zu verzichten, nachdem sie den Vertrag bekommen haben.

Diese Hintertür lässt auch der veränderte Gesetzestext zu. Diese Regelung wurde auch von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mitgetragen. Schließlich brauche etwa ein Bankvorstand, der nebenbei eine Vorlesung hält, tatsächlich kein Honorar, erklärt Rainer Hansel (GEW).

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9 Kommentare

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  • O
    OSI-Studentin

    Das "näher zusammenrücken" ist mit Sicherheit keine gute Lösung. Wir sind ja jetzt schon teilweise über 50 Leute in einem Seminar! Heute sitzen schon so manche auf den Fensterbänken. In Vorlesungen ist man das ja fast schon gewöhnt. Umso schlimmer, wenn das schlechte Lernklima nun auch noch auf die Seminare übergeht.

  • S
    Stefan

    Der Skandal ist ja nicht nur, dass Lehrbeauftragte nicht bezahlt werden (obwohl die GEW Position durchaus nachvollziehbar ist, dass die finanzielle Situation des Lehrenden berücksichtigt werden muss), skandalös sind auch die Sätze, die gezahlt werden, wenn überhaupt etwas gezahlt wird: um die 700€ für ein ganzes Semester!

     

    Bei den Privatdozenten sieht es meiner Ansicht nach nicht so dramatisch aus: ein Seminar pro Jahr, damit man sich PD nennen kann und jeder weiß, dass man habilitiert ist. Ich denke, dass ist zu verkraften.

  • P
    PrekäreLehre

    @cytologie

    Geschliffen wurden doch wohl eher die unbezahlten Lehrbeauftragten, scheint mir. Dass Arbeit angemessen bezahlt wird, ist, glaube ich, auch eine gängige Forderung am OSI.

    Liebe taz, interessant wäre, wenn Ihr etwas mehr dazu schreiben könntet, wie sich OSI und FU zum Argument stellen, dass es durch die Lehrbeauftragten mehr Studienplätze und damit eine höhere Landeszuweisung gibt. Wo geht das Geld denn hin? Oder sind die Mittel zu gering? Allgemein oder nur am OSI? Mit den Fakten aus dem Artikel kann man leider nicht recht beurteilen, worin nun eigentlich das Problem besteht. Und was ist eigentlich mit den Lehrdeputaten der ProfessorInnen und WiMis? Wie kann es sein, dass sie nur einen kleineren Teil der Lehre abdecken? Werden denn alle Deputate tatsächlich voll erfüllt?

    Für meinen Geschmack setzt der Beitrag sehr auf eine Mischung aus Unrechts- und Betroffenheitsgefühl und ist etwas dünn hinsichtlich der Fakten.

    Aber trotzdem schön, dass das Thema zur Sprache kommt.

  • E
    Empfehlung
  • BD
    billigheimer der wissenschaft

    Vielen Dank für den Artikel.

    John Metzler weist zu recht auf das Thema Privatdozenten hin.

    Im spon war mal ein m.E. lesenswerter Beitrag dazu:

    http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,455540,00.html

  • G
    guntherkummerlande

    Der Niveauabfall der deutschen Forschung

    ist bei der Finanzierungsmethode

    der öffentlichen Hand, die auf Gesellschaftskontrolle

    und Improvisation und Kleinhalten abzielt völlig

    vorausberechenbar gewesen.

    Die hunderte Mrd. Euro die Deutschland für

    Eurorettungsfonds mobilisieren sollte und

    die aufgrund des starken Vertrauensverlustes

    verbranntes entwertertes Geld sein werden

    (siehe den Billionenverlust der letzten Wochen

    bei internationalen Aktienunternehmen) wäre

    für Universtätsgebäude Laborplätze für ALLE

    und ORDENTLICHE Bezahlung von EXZELLENTEN

    Lehrpersonal+ einer eigenen Raumfahrt+ etc.

    wesentlich besser angelegt gewesen.

    Eines Tages wird man über die neuerliche historische

    DUMMHEIT der Deutschen an der Beteiligung unsinniger

    Finanzregulierungsinstrumente höhnisch lachen können.

     

    Es ist hier wirklich zum Verzweifeln.

    Das Geld wäre für Bildung und Sachwertinvestitionen,

    Umwelttechnologien, Laborplätze, Eigentumswohnungen

    für Krankenpfleger und Krankenschwestern als

    Anreiz für die Pflegeberufe und Entschädigung

    für Unterbezahlung im strategisch hochwichtigen

    Gesundheitssektor, moderne Schulausstattungen,

    Einstellung von Referendar als Lehrer( zwei Lehrpersonen pro Klasse), Tiefseeforschung

    und Infrastrukturentwicklung, Raumfahrt und

    Investitionen auch in den Europäische Mitgliedsstaaten, Resozialisierungsprogramme

    für Straftäter und Opfer, Kooperationsprojekte

    zum Feldanbau in Entwicklungsländern

    besser investiert.

    Nochmal: Anstatt die Begleichung von Schulden zu finanzieren,

    hätten aussichtsreiche Absatzmärkte im Energiebereich

    und Rohstoffbereich, Kultur, Film, Bildung,

    Gesundheitswesen auch der Mitgliedsstaaten finanziert

    werden müssen. Nur wenige Massenarbeitgeber

    hätten beschützt werden müssen.

     

    Wie kann man nur so MEGADÄMLICH sein?!

    Die Politiker Europas und Deutschlands müssen

    doch ihre Bürger hassen anderenfalls ist das

    hier eine intellektuelle Bankrotterklärung.

    -------------

  • K
    Katyes

    Was ist denn das bitte auch für ein ausbeuterisches System, in dem von den PD rechtlich verlangt wird, dass sie lehren, sie aber nicht dafür bezahlt werden müssen! Versklavung in Deutschland, im 21. Jahrhundert.

  • C
    cyctologie

    man braucht nur die ersten paar zeilen lesen.

    das OSI, das otto-suhr-institut wird seit jahren geschliffen. jetzt der nächste schlag.

     

    eignet sich einfach nicht zum geld drucken. und das ist leider alles worum es der fu heute noch geht.

  • JM
    John Metzler

    Und über Privatdozenten verliert wieder niemand ein Wort. Diese nämlich verdienen gar nichts für ihre (Pflicht)Lehre.

    Das ist den meisten StudentInnen nicht bewusst. Und die Politik berücksichtigt diesen Missstand ebensowenig.

     

    John Metzler