piwik no script img

■ „Hoch jo...“ – der kleine Maulwurf wird vierzigWühlen, seufzen, gluckern

Kaum zwei Laute kann er von sich geben, doch die sind so herzergreifend, daß kein Kind ihn je vergessen kann. Wenn er sich aus dem Erdreich hervorgebuddelt hat, den Sand abschüttelt und mit den großen, lichtscheuen Augen – klack, klack – auf seinem Hügel herumschaut, dann holt er tief Luft, und von irgendwo zwischen dem Magen und dem Herzen stupst es herauf: „Hoch jo!“ So laut ist der Seufzer, daß er über sich lachen muß: ein glucksend helles Kinderlachen.

Der berühmteste Seufzerer der Kinderfernsehgeschichte wird 40, und mit acht neuen Folgen leitet der WDR am Sonntag in der „Sendung mit der Maus“ die Feierlichkeiten für den kleinen Maulwurf ein. Auch wenn dem Schwerstarbeiter unter den Fernsehfiguren nach Feiern gar nicht zumute ist. Der Maulwurf hat nämlich viel zu seufzen, denn in der oberen Welt erwarten ihn unangenehme Dinge. Die Sonne scheint nicht mehr, und das Wasser ist schmutzig. Den Pflanzen und Tieren im Wald geht es gar nicht gut. Statt jedoch sofort wieder umzudrehen und in der Finsternis zu verschwinden, wird der kleine Maulwurf wie immer helfen. Schließlich weiß er, wie man sich durchwühlt und Berge von Sand und Steinen aus dem Weg räumt. Bis er aber wieder lachen kann, muß einiges weggeseufzt werden.

Sosehr einem bei Kinderbüchern und -filmen momentan die Welle didaktisch konstruierter, sozial aktiver Pseudohelden auf die Nerven gehen mag, die sich nicht mit den Dingen, die Kinder wirklich interessieren (Schatztruhen, einsame Inseln oder meinethalben Flaschendrehen), sondern mit Umweltproblemen beschäftigen, so sehr darf der kleine Maulwurf genau das tun: ein tapferer Ökoheld sein. Denn der kleine Wühler leidet an einer tiefen Melancholie, die sich erst auflöst, wenn er in der Oberwelt etwas für andere erreicht hat. Dabei wäre es für ihn leicht, in der Einsamkeit der dunklen Unterwelt zu bleiben, eigene Wege zu graben und damit nur nach seinen Gesetzen zu leben. Doch der Maulwurf mag nicht allein sein, und wenn er Ungerechtigkeiten sieht, dann greift er ein.

Deshalb hat der mittlerweile 75jährige tschechische Zeichner und Erfinder des Maulwurfs, Zdenek Miler, ihm neue Aufgaben übertragen. Demnächst läuft sogar eine Folge, in der der Maulwurf einer Häsin bei der Geburt helfen wird. Was schon sehr komisch ist, wenn ausgerechnet ein Maulwurf, der sich mit verborgenen Gängen ganz gut auskennt, hilft, kleine Häschen ans Licht zu befördern. Auf Wunsch seiner Enkelin, die zu gern wissen wollte, wie die Babys in die Welt kommen, habe er die Folge „Maulwurf und Mutter“ gezeichnet, teilt Miler mit. Und eine kleine Sensation gebe es auch: Der Maulwurf, der bislang nur im ersten halbstündigen Film von 1957, „Wie der Maulwurf zu seinen Hosen kam“, gesprochen hat, werde in einer Sendung die Maus als Moderator vertreten. An diesem Sonntag werden dann nicht nur Kinder, sondern auch ich als (ich gestehe es) bekanntermaßen größter lebender Kleiner-Maulwurf- Imitator gespannt vor dem Fernseher sitzen und warten, ob er wirklich etwas sagt oder ob wir alle mitseufzen dürfen: „Hoch jo!“ Michael Ringel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen