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Hitze in BerlinGießen, was die Kanne hält

Hitze und Trockenheit machen nicht nur den Straßenbäumen zu schaffen, sondern auch den Parks. Die Bezirke versuchen mit wenig Personal und Geld zu retten, was zu retten ist.

Selbst vor dem Reichstag ist der Rasen ausgetrockinet Foto: dpa

Weite Teile des Volksparks Friedrichshain gleichen einer Wüste. Wo man hinsieht, ist das Gras gelb gefärbt. Einige Rhododendronbüsche sehen aus, als seien sie bereits abgestorben. Baumkronen sind licht, viele Äste kahl. Platanen haben die Borke in großen Stücken abgeworfen wie eine zerfetzte Jacke. Es sieht nicht gesund aus. Das sind die sichtbaren Folgen der Trockenheit. Auffällig sind aber auch zahlreiche Brandlöcher von ausgekippten Grillkohlen oder gar von Feuerstellen.

Samstagvormittag. Aus einer Box wummert laute Musik. Schon von Weitem fallen die großen, luftgefüllten Bälle auf, aus denen unten menschliche Beine rausschauen. Offenbar ein Mannschaftsspiel: Man rennt gegeneinander, rammt sich, fällt um, rollt über die inzwischen staubtrockene Wiese. „Bubble Soccer“ nennt sich diese „Funsport“-Art. Um die abgesteckten Spielfelder sitzen Bier trinkende Männer in Liegestühlen. Solche und ähnliche Spaß-Events sind online buchbar mit wenigen Klicks.

Grün komplett übernutzt

Nicht nur am Wochenende ist der Volkspark Friedrichshain voller Menschen: Touristen nutzen diese Möglichkeit genauso wie Obdachlose. Jogger und Skater drehen ihre Runden, Familien veranstalten Kindergeburtstage. Bis in die frühen Morgenstunden feiern vor allem junge Leute. Es wird gepicknickt und gegrillt, soweit das Auge reicht. Dieses Bild unterscheidet sich kaum von vielen anderen Berliner Parkanlagen.

Hitze heißt gießen

Der Vergleich Das Jahr 2018 ist ein Rekordjahr. Die Monate April und Mai waren in Berlin und Brandenburg so heiß wie nie zuvor. Und auch der Juni ist um 2 Grad wärmer als im Schnitt. Dagegen fiel 2017 mancherorts an einem Tag so viel Regen wie sonst den ganzen Sommer.

Die Hilfe Wegen der Hitze hat Umweltsenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) bekannt gegeben, dass ab sofort 600.000 Euro von den Bezirken abgerufen werden können. Damit soll jungen und frisch gepflanzten Bäumen die dringend benötigte Hilfe zuteil werden. Der BUND ruft die Bürger auf zu gießen. „Der Boden in der Stadt ist nach den letzten Wochen total ausgetrocknet“, sagt Sprecherin Carmen Schultze. Deshalb bittet sie die Einwohner*innen Berlins, alle Straßenbäume einmal pro Woche mit acht bis zehn Eimern Wasser zu gießen. (taz)

„Die Grünfläche ist komplett übernutzt“, sagt Sara Lühmann, Sprecherin des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg, über den beliebten Volkspark. „An dieser Stelle merken wir, dass wir ein wachsender Bezirk sind.“ Dazu kämen steigende Touristenzahlen. Es sei zwar schön, dass die Grünflächen so gut angenommen würden, „aber es ist tatsächlich ein Zuviel“.

Eine der drei erlaubten Grillplätze des Bezirks ist hier auf dem kleinen Bunkerberg, einem überschaubaren Areal. Überall sonst im Park ist Grillen verboten. Allerdings sei eine regelmäßige Überprüfung des Verbots „nicht realistisch“, gibt Lühmann zu. Verstöße gegen das Grünflächengesetz zu ahnden sei schwierig, weil der Ordnungsdienst im Bezirk „eine Fülle von Vorschriften überwachen“ müsse. Das Ordnungsamt könne nicht überall gleichzeitig sein, verteidigt sie die 28 MitarbeiterInnen, die sich drei Schichten bis 24 Uhr in Zweierteams teilten. „Sie haben auch mal Urlaub oder sind krank.“

Die Lebensqualität in Berlin hängt wesentlich von den etwa 2.500 öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen mit ihren mehr als 5.400 Hektar Fläche ab. Dazu kommen rund 430.000 Straßenbäume. Auf ihrer Webseite wirbt die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz für Berlin als grüne Stadt, die „nicht zuletzt wegen seines vielfältigen Stadtgrüns nationales und internationales Ansehen“ genieße. Weiter heißt es, dass „Schutz, Pflege, Unterhaltung und Entwicklung des Stadtgrüns“ ein gemeinsame Aufgabe der Grünflächenämter sowie der Senatsverwaltung sei. Doch das ist besonders in Zeiten der extremen Trockenheit keine einfache Aufgabe. Denn es fehlt an Mitteln und Mitarbeitern für die Pflege des Stadtgrüns.

Wir müssen auch die Altbäume gießen. Das ist wichtig!

Bernd Kanert, Bezirk Neukölln

Bäume vergessen nichts

Der Haushaltsausschuss des Abgeordnetenhauses hat den Bezirken für 2018 und 2019 mehr als 8 Millionen Euro für Baumpflege, -schutz und Neupflanzungen zur Verfügung gestellt. Mehr Geld als jemals zuvor. „Den Bezirken sind bei den Stürmen letztes Jahr etliche Bäume umgeknickt und abhandengekommen. Viele gesunde Bäume sind verloren gegangen, die so schnell wie möglich ersetzt werden sollen“, erklärt Derk Ehlert, Pressereferent der Umweltverwaltung. Ein Großteil des Geldes sei deshalb für Nachpflanzungen vorgesehen.

Ein anderer Teil fließe in die Stadtbaumkampagne. ­Kommen 500 Euro Spendengelder von Bürgerinnen und Bürgern für eine Baumpflanzung zusammen, legt die Stadt den Rest der Kosten obendrauf. Neupflanzungen beinhaltet eine zwei- bis dreijährige Gewährleistungspflege. Das heißt, die jungen Bäume müssen in der Anwuchsphase intensiv gewässert werden. Man komme mit dem Gießen jedoch kaum hinterher. Hier seien die Schäden besonders schnell sichtbar, so Ehlert. Und manchmal zeigten Bäume einen Schaden erst drei Jahre später. „Bäume vergessen nichts.“

Vor allem die Straßenbäume bekommen die derzeitige Hitze zu spüren. Das Straßen- und Grünflächenamt Neukölln mobilisiert alle Kräfte, „um alles, was irgendwie möglich ist, zu retten oder am Leben zu erhalten“, sagt der Fachbereichsleiter Grün- und Freiflächen, Bernd Kanert. Während Kräuter und Gräser in der Lage seien, wieder auszutreiben, „sobald Wasser vom Himmel fällt“, vertrockneten Stauden, Rosen, Pflanz- und Gehölzflächen. Parkbäume müssten in der Regel nicht gegossen werden, weil sie häufig das Grundwasser erreichten.

Junge Bäume hätten oft Gießsäcke. Die grünen Säcke sind um den Wurzelbereich gebunden und erlauben ein schnelles Befüllen, aber ermöglichen langsames Versickern des Wassers. Das funktioniere bei alten Bäumen nicht. Sie könnten nur über die relativ kleine Baumscheibe Wasser aufnehmen. „Deswegen müssen wir auch die Altbäume gießen. Das ist wichtig“, betont Kanert. Allein Neukölln habe mehr als 20.000 Straßenbäume. Man suche sich Unterstützung beim Technischen Hilfswerk, sodass jene, „wenn sie Zeit haben, auch mal mit dem Wasserwagen vorbeikommen“.

Keine Feuerschalen

Die Nachbehandlungen der Schäden durch die großen Herbststürme „Xavier“ und „Herbert“ 2017 würden in Neukölln noch mindestens bis Ende dieses Jahres andauern. Und nur durch die Berliner Stadtbaumkampagne sei man überhaupt in der Lage, den Status quo der Anzahl der Straßenbäume zu halten. Die finanzielle Unterstützung decke mitnichten den täglichen Pflegebedarf. „Der Pflegeaufwand ist seit Jahren defizitär“, sagt Kanert.

Und der Rasen in den Parks? Absperren, um zu verhindern, dass der Rasen bis zur Grasnarbe abgescheuert werde, sei keine Lösung, meint Kanert. „Wie sollte man das realisieren?“ Selbst die Parkwächter, die es vor 50 Jahren gab, waren personell anderes ausgestattet. Die Regeneration muss heute während des laufenden Betriebes funktionieren. Aber: An den Stellen, wo Grillkohlen in Aluschalen ungeschützt auf dem Boden liegen oder ein Lagerfeuer brennt, wächst kein Rasen mehr.

Immerhin gibt es in den Parks weniger Gefahr durch Feuer als in den Wäldern. „Feuer breite sich auf reinen Grasflächen nicht so schnell aus“, weil Flammen niedrig seien, erklärt Dominik Pretz, Sprecher der Berliner Feuerwehr. Anders sei das bei Feuer in trockenem Gebüsch oder wenn Wind hinzukäme. Pretz sagt, es könnten dann schnell mehrere 100 Quadratmeter Wiese in Flammen stehen. Tatsächlich habe die Feuerwehr bei so einer trockenen Witterung wie derzeit mehrere Einsätze in den Grünanlagen täglich. Das könnten ein paar Quadratmeter Grasfläche oder „auch mal der einfache Mülleimer“ sein, weil jemand Grillgut hineingeworfen hatte oder eine nicht ausgedrückte Zigarette.

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