Hitler treu bis zur letzten Minute

Als Reichsjugendführer schickte Artur Axmann im März 1945 Tausende Kinder und Jugendliche in den Endkampf. Am 24. Oktober verstarb im Alter von 83 Jahren einer der letzten Überzeugungstäter  ■ Von Severin Weiland

Berlin (taz) – Die Anzeige in der Wochenendausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung las sich, als sei ein Streetworker gestorben. „Sein sozialer Einsatz für die Jugend“, hieß es da kurz und knapp, „war Vorbild.“ Der von den vier Unterzeichnern posthum gerühmte Artur Axmann hatte sich auf seine ganze eigene Art und Weise für die Jugend eingesetzt: Als letzter Reichsjugendführer schickte er vor Kriegsende Tausende von Minderjährigen für seinen Führer in den Endkampf um Berlin. 800 der rund 4.000 Hitlerjungen starben in der damaligen Reichshauptstadt, um Hitlers Leben um einige Tage zu verlängern, Unzählige wurden dabei schwer verwundet und verstümmelt. Noch fünf Wochen vor Kriegsende hatte Axmann die Hitlerjugend in einer Rede zur absoluten Treue verpflichtet. Strahlend und stolz zeigt ihn ein Foto vom 19. März 1945, an der Seite Hitlers im Garten der Reichskanzlei eine Reihe von Hitlerjungen abschreitend. Axmann blieb seinem Führer bis zur letzten Minute treu. Erst nach dessen Selbstmord am 30. April flüchtete er aus dem Bunker, wurde im Dezember allerdings von den westlichen Alliierten gefangengenommen.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Baldur von Schirach, den er 1940 als Reichsjugendführer abgelöst hatte und der in Nürnberg zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, kam Axmann nach 1945 relativ ungeschoren davon. Zwar verhängte das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal im Mai 1949 gegen ihn eine Strafe von drei Jahren und drei Monaten, doch kam er wegen der angerechneten Untersuchungshaft schon bald frei. Fortan arbeitete er als Handelsvertreter im Nordrhein-Westfalen und in Berlin. 1958 stand Axmann erneut vor Gericht: Eine Berliner Entnazifizierungskammer verurteilte ihn zur Zahlung von 35.000 Mark. Die Richter zeigten sich milde: Nicht aus niederen Beweggründen, sondern aus Überzeugung sei er schließlich zur NSDAP gegangen.

In der Tat war Axmann ein Gesinnungstäter. 1913 in Hagen geboren, trat er schon als 17jähriger für die Nazi-Partei als Redner auf. 1932 wurde seine Karriere mit dem Eintritt in die NSDAP-Reichsleitung beschleunigt. 1933 unterbrach er sein Jurastudium, wurde Leiter des Sozialamts der NS-Reichsjugendführung in Berlin. An einem neuen Jugendschutzgesetz – das in Teilen noch heute in Kraft ist – arbeitete er mit. Nach seinem Amtsantritt als Reichsjugendführer 1940 drillte er die Hitlerjugend für den Krieg. „Wehrertüchtigungslager“, in denen schon 14jährige an der Waffe ausgeblidet wurden, gingen auf sein Konto.

In den Nachkriegsjahren blieb es um Axmann ruhig. Hin und wieder wurde er von Medien als Zeitzeuge zum Verbleib von Martin Bormann befragt, des Hitler-Sekretärs. Der sei am 1. Mai 1945 getötet worden, er selbst habe die Leiche gesehen, beteuerte Axmann schon Anfang der 60er Jahre. Zuletzt kam er 1995 im Magazin Focus zu Wort. Dort distanzierte er sich vorsichtig vom damaligen Kampfeinsatz der Hitlerjugend. Nach heutigem Kenntnisstand würde er „anders entscheiden“. Im Frühjahr 1945 habe er aber geglaubt, „den Krieg gewinnen zu können, heute weiß ich, daß das Illusion war“. Axmann starb am 24. Oktober im Alter von 83 Jahren.