piwik no script img

Historiker Zimmermann zu Außenamt-Studie"Man wollte es einfach nicht wissen"

Die Studie "Das Amt" zeigt die Mitwirkung des Auswärtigen Amtes am Holocaust. Moshe Zimmermann, Mitautor der Studie, wundert sich über jahrzehntelange Ignoranz.

Hier hätte man schon früher mehr wissen können: Auswärtiges Amt in Berlin. Bild: dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • RD
    Rainer David W. Früh

    Bevor sich jetzt einige der notorisch selbstgerechten TAZ-Forums-Chefkommentatoren ihr inquisitorisches Interesse ausschließlich auf Hans Dietrich Genscher fokussieren:

    Willy Brandt (noch bekannt?) war als erster sozialdemokratischer Bundesaußenminister auch mal Chef dieses Vereins; und später als Kanzler hätte er ja auch einige Vorgaben zur vermissten "Aufarbeitung" machen können. Also, Schaum vom Mund wischen, Ball flach halten........

    und @Henry Axmann: gute Aufzählung. Aber, bevor Sie sich hier ausschließlich auf den "CDU-Staat" einschießen, weil´s besser ins eigene politische Weltbild passt: Vergessen Sie hierbei bitte nicht NVA, VoPo und all die übrigen Organisationen staatlicher Macht in der DDR, die ihren Aufbau auch zum großen Teil der Mithilfe alter Nazi-Kader zu verdanken haben. Auch das ist wissenschaftlich schon einigermaßen aufgearbeitet und bekannt.

  • GD
    Gegen das Vergessen

    Naja, mindestens ebenso wäre es gewesen, die Verstrickungen des Auswärtigen Amtes in den Irakkrieg zu untersuchen. Was wusste Joschka Fischer von den Folterflügen der CIA? Stimmt es, dass diese mit Duldung der Regierung in Deutschland zwischengelandet sind? Wie war das mit der logistischen Unterstützung? Wie haben die Dipülomaten sich gegenüber den Angreifern GB und USA verhalten? Sehr viele offene Fragen, auf deren Beantwortung wir wahrscheinlich weitere 60 Jahre warten müssen ....

     

    Es ist immer leicht, von anderen, hier der Eltern/Grosselterngeneration moralisches Verhalten einzufordern - aber wie steht es mit unserer Generation? Sind wir soviel besser? Oder ist nicht auch Weggucken, Schulterzucken, Ja-Sagen, Opportunismus auch bei uns weit verbreitet? Obwohl keinem von uns das KZ droht, wenn wir den Mund aufmachen. Historische Aufarbeitungen sind gut und wichtig, aber weniger Selbstgerechtigkeit wäre manchmal auch schön.

  • W
    WalterKluck

    Die von Joschka Fischer initiierte Studie bestätigte die Vermutung, dass das Auswärtige Amt während der NS-Zeit nicht nur über die Maßnahmen der Judenverfolgung unterrichtet war, sondern auch bei deren Umsetzung mitgewirkt hat.

    Dass bis zur systematischen Aufarbeitung der Verstrickungen des Auswärtigen Amtes 60 Jahre vergingen, ist zweifellos ein Skandal. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die jüngste Vergangenheit bewusst verdrängt. An der Aufarbeitung der NS-Zeit bestand keinerlei Interesse und die Menschen konnten sich des Verständnisses des Bundeskanzlers gewiss sein. „Wat soll diese Nazi-Schnüffelei“ lautete 1951 seine Devise.

    Es sei daran erinnert, dass z.B. dem Ermächtigungsgesetz auch die bürgerlichen Parteien zustimmten und damit letztendlich den Weg freimachten, der Deutschland ins Verderben stürzte. Millionen Tote, zerstörte Städte, die bedingungslose Kapitulation und die Teilung Deutschlands waren die Folge. Trotzdem hielten 1948 nach einer Allensbach-Umfrage noch 57% der Menschen den Nationalsozialismus für eine gute Sache, die nur schlecht gemacht wurde. Das hängt wahrscheinlich auch mit der Erinnerung an die erfolgreiche Ankurbelung der Wirtschaft nach der Machtübernahme zusammen. Während es 1933 noch sechs Millionen Arbeitslose gab, herrschte 1936 bereits Vollbeschäftigung. Das hatte zur Folge, dass die Arbeiterschaft mehrheitlich von SPD und KPD zu Hitler umschwenkte.

  • F
    F!E

    @xxedout

     

    Wenn man bedenkt, dass in Deutschland dieser Teil der Geschichte so gut wie niemanden interessiert oder dieser als abgearbeitet erachtet wird, während gleichzeitig offener Antisemitismus (auch getarnt als Antizionismus) propagiert wird und den Deutschen wieder nichts Besseres einfällt als Untätigkeit, dann ist dieses Thema sicher nicht überflüssig.

    Und jegliche Verantwortung abzulegen, nur weil andere das tun ist Kleinkindlogik, nichts anderes.

    Ohnehin ging es in diesem Artikel um die Rolle der deutschen Diplomatie im 3. Reich, ein Thema, welches bisher gekonnt totgeschwiegen bzw marginal angesprochen wurde, deshalb Dank an dieser Stelle an Moshe Zimmermann und die taz, für ein wirklich interessanten Artikel.

  • H
    Hubert

    Warum haben wir so viele Jahre geschwiegen und alles unter den Tisch geschoben?

    Es ist doch imgrunde was ganz normales, die Generation, die eine Historie durchlebt hat, wird und kann darüber nicht real und konsequent reden und handeln, das ist doch absolu nichts neues.

    Man mus nach so einer schrecklichen Geschichte doch weiterleben und wie soll es denn gehen, wenn man anfängt sich gegenseitig zu zerreißen.

    Keine andere Gesellschaft, oder Staat hat das jemals gemacht, man überlässt das immer den nachfolgenden Generationen, aus Scham, oder eigener Verstrickung funktioniert es nicht.

    Auch die Zeit des Sozialismus/Kommunismus können erst nachfolgende Generationen ernsthaft aufarbeiten.

  • H
    Henrik

    Statt über Joschka Fischer zu jubelen, sollten wir uns wohl alle erinnern, das der a.d. heute "Berater" für die Quandt-familie ist.

     

    Die selben Familie die sich immer noch nicht entschuldigt hat für die verschleppung von dänische Wiederständler zur Zwangsarbeit in die Varta-werke.

  • P
    Peter

    @ Henry Axmann:

     

    Ich glaube mit ihrem Vorschlag zur rigorosen Entnazifizierung der öffentlichen Ämter kommen Sie 65 Jahre zu spät aber wenn Sie noch einen 95-jährigen Ex-NSDAPler im Auswärtigen Amt finden, dürfen Sie ihn natürlich gerne ins "grelle öffentliche Licht" ziehen.

  • N
    Normalverdiener

    Ich sag nur Globke, Adenauer, Weizäcker, Schleier... usw. Unsere Politik und Gesellschaft ist voll von solchen Beispielen. Aber auch die Amis: Mann sollte viel mehr die guten Beziehungen der USA und deren Spitzenfamilien (z. B. Kennedys, Rockefeller usw.)und Politiker zum dritten Reich und der Bewunderung für die Nazis und die teilweise schockierende Unterstützung und Belieferung Deutschlands mit Rohstoffen noch während des Krieges publik machen!

    Amerikaner kämpften gegen Wehrmacht und die wurde von amerikanischen Ölkonzernen mit Rohöl beliefert. Toll was.

    Ich weiß ja nicht ob´s so stimmt. Aber ich glaube gar nichts mehr was so im Geschichtsunterricht von sich gegeben wird.

    Das man nicht alle erschießen oder wegsperren konnte, die mit den Nazis zusammengearbeitet haben oder selber einer waren, ist doch klar. Dann wäre Deutschland nicht mehr aufbaufähig gewesen im Sinne der Alliierten. Da wären ja nur ca. 5 Millionen Bürger oder so übrig geblieben. Aber die Wahrheit sagen hätten sie schon können.

  • GF
    Gerda Fürch

    Ja, bitte, Herr Moshe Zimmermann, Herr Stefan Reinecke und Herr Marcus Schulz, fragen Sie Hans-Dietrich Genscher, warum er jahrelang keine Fragen gestellt hat und warum er zugelassen hat, daß regelmäßig im Hausblatt des Außenministeriums Nazi-Diplomaten gewürdigt werden. Und warum seit Februar 2010 wieder unter einem FDP-Außenminister wieder Nazi-Diplomaten gewürdigt werden dürfen.

  • R
    reblek

    "Man machte sich dort schon früh, 1939, in einem Memorandum Gedanken über das Schicksal der Juden im ganz Europa." "Gedanken über das Schicksal der Juden"? Merkwürdig, dass jemand, der weiß, was gemeint ist, das als "Schicksal" verharmlost.

  • P
    Purzel

    Leider ist es so: Das allermeiste dieser Studie ist seit den 1960er Jahren bekannt. Über dieses Thema wurde in den 1980er Jahren (87/88?)an der FHS Hamburg eine Vorlesungsreihe gehalten. So entsetzlich das Verhalten der deutschen Diplomatie auch war, hier dient es nur zur Befriedigung von Profilneurosen des Herrn Josef Martin Fischer und einiger Historiker. So ist es, Freunde der Endlosen Betroffenheit!

  • HA
    Henry Axmann

    Danke Herr Zimmermann - endlich mal Klartext in der veröffentlichten Meinung.

     

    Jetzt bitte noch je ein Interview mit einem Fachhistoriker zur historisch-personellen Kontinuität in den Institutionen

    VS, MAD, BND, BKA, Sicherungsgruppe Bonn, Generalbundesanwaltschaft, Bundesheer, Bundesluftwaffe, Bundesmarine, Bundeswehrbeschaffungsamt sowie dem "Verteidigungs"ministerium, Kanzleramt, Justizministerium, Innenministerium, Wirtschaftsministerium, den Landespolizeien usw.

     

    Personelle NS-Infiltration gefährdet die formale repräsentative Demokratie, auch wenn sie nach dem Krieg die Regel war. Die Amoralität der Tätermythen gehört ins grelle öffentliche Licht. Jedem öffentlich-rechtlichen Schreibtischtäter mit Nazivergangenheit muß die Möglichkeit zur Tarnung, Geschichtsverdrängung und Arbeitsplatzvererbung genommen werden.

     

    Die vermeintlich lässige Unterscheidung zwischen Tätern in Spitzenpositionen und 'Randfiguren' verdeckt die Tatsache, dass die massenhaften Verbrechen gegen die Menschlichkeit tatsächlich von den 'Randfiguren' auf Befehl der Spitzennazis ausgeführt wurden.

     

    Es muß zu einer Neubewertung des auch personellen Demokratiegehalts der Bundesrepublik kommen. Wir brauchen eine regelmäßig wiederkehrende mediale Nazikennzeichnung bzw. eine Entnazifizierung der amtlichen Öffentlichkeit.

  • X
    xxedout

    -Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe

    -Bildung eines eigenen Staates

    -Mahnmale um Reue zu demonstrieren

    -Aufarbeitung der Geschichte seit über 65 Jahren

     

    Wann ist eigentlich mal Schluss?

    Auf der Ganzen Welt leiden Millionen von Menschen Hunger, sehen ihre Kinder sterben an leicht heilbaren Krankheiten, oder werden von Regimen unterdrückt.

     

    Ich finde man sollte über Menschen berichten denen es heute schlecht geht!

     

    Oder wie wär´s mal mit Entschädigungszahlungen seitens Europa an afrikanische Staaten für deren Holocaust(s)?

    Oder vielleicht Zahlungen seitens der USA an die afro-amerikanische Bevölkerung?

    Oder Spanien macht mal ein paar Milliarden locker für die, von denen begangenen, Verbrechen an den Ureinwohnern Amerikas? Und so weiter....

  • R
    rassloff

    Die Rolle des Adels im NS wird Dank Dönhoff & Co. (vgl. Antje Vollmers neues Buch "Doppelleben") meist nur im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 dargestellt. Wie stark war das Auswärtige Amt vom Adel geprägt?

    Zwischen 1921 - 1933 waren immerhin 62 der 161 leitenden Beamten im AA adlig. (Vgl. Stephan Malinowski, Vom König zum Führer, Sozialer Niedergang und politische Radikalisierung im deutschen Adel im Kaiserreich und NS-Staat, Akademie Verlag 2003, S. 286)

    rassloff.wordpress.com

     

    Druckfehler:

    "Das gilt für ganz normale Botschafter, Gesandte, ihre Mitarbeiter, etwa in in Bulgarien, Griechenland und der Slowakei etc. etc. "

     

    Ist das eine Frage oder Feststellung:

    "Muss man Hans-Dietrich Genscher fragen, warum dies nicht früher möglich war."

  • KK
    Klaus Kempter

    Nach einigen Tagen, in denen vor allem berichtet wurde, wie überrascht, schockiert, erschüttert etc. Historiker (Eckart Conze u.a.), Journalisten (Frank Schirrmacher u.a.) und verantwortliche Politiker (Joschka Fischer, Frank-Walter Steinmeier) seien, endlich einmal jemand, der das wirklich Überraschende benennt: Dass im Grunde alles Wesentliche schon bekannt war, aber verdrängt und/oder vergessen wurde. Was Moshe Zimmermann leider nicht erwähnt: Vor dem Buch von Christopher Browning aus den späten 70er Jahren, das jahrzehntelang nur auf Englisch vorlag, gab es in Deutschland den Dokumentenband von Léon Poliakov und Joseph Wulf: Das Dritte Reich und seine Diener, erschienen 1956. Schon damals konnte eine breite Leserschaft sich ein Bild machen (übrigens nicht nur über das Auswärtige Amt, sondern auch über die Wehrmacht und deren Anteil am Judenmord). Die interessante Frage ist tatsächlich: Warum gingen diese frühen Erkenntnisse nicht in das Geschichtsbild der Deutschen ein?