HipHop-Instrumentals von DJ Piper: Oldschool, ick hör Dir trapsen
Der Berliner DJ Piper erholt sich mit dem Album „A Dream in a Dream“ von seinem Dayjob als Technoproduzent. Sein HipHop-Sound erinnert an G-Funk.
Welcher HipHop-Fan träumt nicht davon, in eine Zeitmaschine zu steigen und in die neunziger Jahre zu reisen? Den passenden Soundtrack für einen Ausflug in diese goldene Rap-Ära liefert das Album „A Dream in a Dream“.
Auf seinem Debüt erzählt der unter dem Künstlernamen DJ Piper tätige Berliner Produzent Felix Wagner in zwölf Instrumentals die Geschichte eines Jungen, der sich seine Teenager-Träume erfüllt: Er reist um die Welt, schließt Freundschaften, lernt neue Kulturen kennen und verliebt sich.
Bevor Musik ertönt, ist auf dem Album das Geräusch eines entflammten Feuerzeugs zu hören. Kurz darauf atmet eine Person tief ein – vermutlich den Rauch eines Joints. Denn der Auftaktsong hat den Titel „Kush Clouds“, eine Anspielung auf den dichten weißen Rauch der Hanfsorte, die ihren Name dem Hindukusch-Gebirge verdankt. Danach erklingen ein Schlagzeug-Rhythmus, der zum Kopfnicken einlädt, und eine warm klingende Synthesizer-Melodie im G-Funk-Stil.
Langsam und bekifft
G-Funk steht für Gangsta Funk, ein Subgenre, das in den frühen Neunzigern an der US-Westküste entstanden ist und maßgeblich von Dr. Dre und seinem 1992 erschienenen Album „The Chronic“ geprägt wurde. Der Produzent bezeichnete G-Funk in einem Interview als „langsames, bekifftes Funk-inspiriertes Genre“.
DJ Piper: „A Dream in a Dream“ (Kommerz Records/HHV)
Auch DJ Piper kreiert auf seinem Album mit soul-inspirierten Grooves, hochgepitchten Keyboards und tiefen Basslines verträumte Klangwelten. Die meisten Songs beginnen mit Soundschnipseln, die das Thema des Songs ankündigen. Wagner hat dafür Sprachnachrichten von Freund:innen verwendet.
Am Anfang des Tracks „Görlitzer Park“ sagt eine Männerstimme: „Now I am near Görlitzer Park finding some weed.“ Der Park in Berlin-Kreuzberg ist ein bereits in Reiseführern erwähntes Kifferparadies. Doch das dort vorzufindende Überangebot an Cannabis hat Schattenseiten: Auf dem Schwarzmarkt haben sich in den vergangenen Jahren immer stärkere Züchtungen durchgesetzt. Die hohe psychoaktive Wirkung der Droge hat zur Folge, dass immer mehr Jugendliche durch ihren Drogenkonsum an Angststörungen und Psychosen erkranken.
Downtempo als Traum
Neben weiteren Stücken wie „44.20 FM“, die ebenfalls dem Kiffen gewidmet sind, könnten Downtemposongs wie „Sekundenschlaf“ und „A Dream in aA Dream in a Dream“ von den verträumten Tagen nach dem Rausch handeln. Dabei wurzelt Pipers Stoner-Traum eigentlich im Techno. Seit über zehn Jahren tourt Wagner als DJ des Berliner Duos FJAAK um die Welt. Mit Aaron Röbig legt Piper harten Techno auf. Das Produzieren von langsameren HipHop-Beats scheint Wagners Ruhepol zu sein – und seine Inspirationsquelle.
Viele Songskizzen für „A Dream in a Dream“ entstanden, als Wagner mit FJAAK auf Tour war. Während langer Autofahrten, an Flughäfen oder in Hotelzimmern. Der Song „FRA-CHI“ beginnt mit der Ansage „Boarding to Chicago“ und einem Saxofonsolo. Anschließend ist eine wummernde Kickdrum zu hören, eine HiHat zischelt.
Energische Drumbeats stechen auf den meisten Songs heraus. Einige Tracks sind vom Breakbeat, andere von ruhigen, „Laid back“-Beats aus den Neunzigern beeinflusst. Anders als in jener Sample-Ära, in der ausgiebig bei Soul, Funk und Jazzplatten gewildert wurde, hat der ausgebildete Toningenieur fast alle Instrumente in seinem Studio in Berlin selbst eingespielt: von Trompete über Xylofon bis hin zu Bongos.
Kuhglocke und Trillerpfeife
Bei den delikaten Beats werden Rapper, die von Trapsound gelangweilt sind, zum Mitrappen eingeladen. Piper ist stilbewusst, klassische HipHop-Elemente wie Scratches setzt er bewusst ein. Die Markenzeichen des Drumcomputers Roland 808, Kuhglocke und Trillerpfeifen, dürfen auch nicht fehlen. Breakbeats und Rhythmuswechsel verfeinern Songs wie „Room #421“, und funky Gitarren-Riffs machen die Musik tanzbar.
Dass „A Dream in a Dream“ komplett ohne Gesang und Reime auskommt, fällt kaum auf. Einen Traum hat sich Wagner vermutlich schon erfüllt: Als er 2020 seinen ersten HipHop-Song „Illuminay“ als Single veröffentlichte, teilte ihn der US-Rapper B-Real (von Cypress Hill ) auf Instagram. DJ Piper hat einen Nerv getroffen, indem er durch seinen Oldschool-Sound die Wurzeln von HipHop ehrt und gleichzeitig mit Einflüssen aus Soul, Jazz und Breakbeat neue Klangsphären kreiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste