■ Hinterbank: Vakuum als Botschaft
Zugegeben, die SPD ist zur Zeit nur schwer zu vermarkten. Andererseits beweist die Werbeindustrie täglich, daß das Image auch noch des schlechtesten Produktes propagandistisch aufpoliert werden kann. Was die CDU ja auch längst begriffen hat und deshalb im Wahlkampf statt unbekannter Politfratzen bunte Sprüche plakatierte.
Die Sozialdemokraten aber wollen gar keinen Blumentopf gewinnen. Das bewies der Sonderparteitag in dieser Woche. 341 Delegierte mußten bei der Gelegenheit sechseinhalb Stunden lang auf ein Transparent glotzen, daß einfallslos den Slogan ihres verlorenen Wahlkampfes wiederholte: „Gemeinsam für Berlin“. Die Farben waren nicht einmal mehr in Blau und Weiß, sondern Grau in Grau gehalten. Cheforganisator Hartung war überzeugt, das sei besser fürs Fernsehen. Können sich SPD- Wähler denn keine Farbfernseher leisten?
Landesvorsitzender Dzembritzki hat die PR-Schwäche gleich erkannt. Bei der Eröffnung des Parteitages stellte er fest: „Professionalität und Kampagnenfähigkeit sind nötig.“ Baustaatssekretär Bielka fand daraufhin, es sei eine richtige Entscheidung gewesen, seinen Trinkbecher selbst mitzubringen. Sein Becher war nämlich rot und nur der Henkel schwarz. „Das ist Absicht“, sagte der Befürworter einer Großen Koalition stolz, „in der Tasse sind schließlich die Inhalte drin.“ Was da aus seiner persönlichen Tasse dampfte, war dann wieder schwarzer Tee.
Das Fernsehen interessierte sich dann aber weder für die Tasse noch für das Transparent. Die Kameras zielten natürlich auf das Rednerpult. Aber dort hing überhaupt nichts. Millionen von Fernsehzuschauern konnten hinter den Rednern nur eine weiße Wand ausmachen, auf der außer Leere keine Botschaft zu finden war.
Eine gute Werbeagentur wüßte aber selbst diese Schwäche zu vermarkten: „Mehr Vakuum wagen – SPD“. Dirk Wildt
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