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Hinkender Vergleich

■ betr.: „Der Stausee als Methan- und Kohlendioxidbombe“, taz vom 12. 2. 96

In diesem Artikel wird eine ganz gefährliche Sache gemacht: Kohlendioxid- und Methanemissionen aus der Verwesung von organischem Material werden verglichen mit Emissionen aus Kohlekraftwerken. Daraus wird der Schluß gezogen, daß ein Stausee mehr CO2 und Methan freisetzen kann als ein Kohlekraftwerk. So weit, so richtig.

Allerdings liegt die Folgerung nahe, daß man besser keine Stauseen anlegen sollte. Dies ist wohl nicht richtig. Der Kohlenstoff, der in der Biomasse steckt (Holz, Blätter, Rinde, Früchte etc.) würde beim natürlichen Absterben der Pflanzen ohnehin in die Atmosphäre freigesetzt (organischer Abbau). Bei Kohle handelt es sich dagegen um jahrtausendealten Kohlenstoff (ebenfalls aus Biomasse), der in der Erde gebunden ist und nicht in Form von CO2 oder Methan in die Atmosphäre gelangt, solange wir Menschen nichts dazutun.

Erst dadurch, daß der Mensch eingreift, Kohle abbaut und verbrennt, um die Energie daraus zu nutzen, wird der in der Kohle gespeicherte Kohlensstoff als Treibhausgas (CO2, Methan u.a.) in die Umwelt gepustet. Die „lebende Biomasse“ nimmt dagegen beim Wachsen der Pflanzen CO2 aus der Umgebung auf und gibt genau dieselbe Menge nach ihrem Absterben wieder an die Umgebung ab. Es ist ein Kreislauf, bei dem kein zusätzliches CO2 in die Umwelt gebracht wird. Im Fall der Kohleverbrennung wird dagegen sehr wohl zusätzliches CO2 in die Atmosphäre freigesetzt.

[...] Es wäre vermessen zu glauben, daß wir ohne Energieerzeugung auskommen könnten. Aus diesem Grund werden wir es nicht schaffen, gar kein CO2 mehr in die Umwelt freizusetzen. Sollten wir deshalb nicht versuchen, möglichst wenig zusätzliches in die Atmosphäre zu bringen?

Ein Wasserkraftwerk erzeugt Energie: regenerative Energie. Beim Betrieb entstehen keine zusätzlichen CO2-Emissionen. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, Wasserkraft zu nutzen anstatt fossiler Ressourcen. Ein endgültiger Vergleich ist aber erst möglich, wenn tatsächlich vergleichbare Maßstäbe angelegt werden. Vielleicht gelingt dies eines Tages mit Ökobilanzen. Allerdings messen auch die heute noch mit unterschiedlichen Maßstäben und brauchen noch ein wenig Zeit, um vollständig entwickelt zu werden.

Ein weiterer Zusammenhang sprang mir geradezu ins Auge: Wäre es nicht sinnvoll gewesen, das Holz zu nutzen, wenn an dieser Stelle ohnehin ein Stausee angelegt wird? Wir sollten auch unsere nachwachsenden Rohstoffe (Holz z.B.) möglichst weitgehend verwerten. Denkbar wäre zum Beispiel der Verkauf dieses Holzes oder wenigstens eine Verbrennung zur Energieerzeugung. So verrottet es für uns Menschen nutzlos auf dem Grund und verwandelt den Stausee langsam aber sicher in ein totes Gewässer, weil es ihm den Sauerstoff entzieht, den Fisch und andere Lebenwesen benötigen.

An dieser Stelle kommt natürlich eine andere Frage auf: Ist es ethhisch verantwortbar, Tropenholz zu nutzen? Ich glaube, der vorliegende Fall ist ein geradezu klassisches Beispiel dafür, daß die Verwendung von Tropenholz durchaus gelegentlich Sinn machen kann.

Ich wünsche uns allen den Mut, über Grenzen hinwegzudenken. Nur so werden wir die drohende Umweltkatastrophe vielleicht aufhalten können. Martin Ristl,

Student und Ökologe, Hamburg

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