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■ Hinfahren oder Boykottieren?Nach Peking über Srebrenica

Als Tagungsort der Weltfrauenkonferenz war Peking schon von Anfang an problematisch. Schon wegen des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 hätte man den Standort ablehnen können. Auch Menschenrechtsverletzungen gab es in China seit Jahren, es reicht, an die Unterdrückung in Tibet zu denken. Dies alles wurde, als es um die Wahl des Orts ging, von Frauenorganisationen vorgebracht, letztlich aber als nicht gewichtig genug empfunden.

Es war noch Zeit genug, die Konfernez abzublasen, als der Tagungsort der NGOs, die wohl die brisantesten Beiträge bringen werden, außerhalb Pekings verlegt wurde. Die Loyalität der Regierenden untereinander war stärker. Viele Regierungen haben ihre NGOs selbst diskriminiert, als sie deren Analysen nicht in die offiziellen Berichte aufgenommen haben. All das wurde abgewägt, in Kauf genommen. Warum also jetzt plötzlich der Aufruf zum Boykott?

Womit wir hier zu tun haben, ist das hysterisch- chaotische Denken, das immer mehr den politischen Alltag bestimmt und das uns auch die Bundesregierung täglich vorexerziert. Analysen, Verstehen von Zusammenhängen sind nicht gefragt, wo Stimmungen, Trends und Moden regieren, wo es nicht darauf ankommt zu wissen, sondern sich zu äußern.

Gekoppelt ist diese Hysterie an den technokratischen Glauben an Rationalität und Kalkulierbarkeit. Aber es gibt kein klares, ausrechenbares Ja oder Nein zur Teilnahme an der Pekinger Konferenz. Trotz aller Versuche zu manipulieren, können selbst die Chinesen nicht ausschließen, daß am Rande der Konferenz doch wichtige, zukunftsträchtige Begegnungen stattfinden. Ob die Konferenz letztlich Sinn hatte, werden wir erst nach Jahren wissen. Warum sollte man diese Ambivalenz nicht zugeben, also sich wach und umsichtig auf die Reise nach Peking machen?

Was mich allerdings an dem Scheingefecht um Peking am meisten empört: Wir haben tatenlos, ohne öffentlich zu protestieren, zugesehen, wie Tausende von Menschen in der UNO(!)-Schutzzone Srebrenica massakriert wurden. Ist es immer noch nicht klar, daß wir westlichen Europäer spätestens seit dieser Unterlassung jegliche Legitimation verloren haben, anderen Lektionen über die Einhaltung der Menschenrechte zu erteilen? In diesem Sinne ist es wahrlich egal, ob wir nach Peking fahren oder nicht. Alina Wagnerova

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