: Hindernis-Parcours zu den Volksvertretern
■ Wie kommen RollstuhlfahrerInnen ins Rathaus? / Behörden-Wirrwarr um Behindertenfreundlichkeit und Dnekmalschutz
um Behindertenfreundlichkeit und Denkmalschutz
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2å Viele Wege führen ins Rathaus — aber nicht für Behinderte: Sie müssen draußen bleiben. Kein Raum im hanseatischen Prachthaus ist im Rollstuhl zu erreichen. Körperbehinderte können an Sitzungen weder als Mitglieder von Ausschüssen und der Bürgerschaft noch als ZuhörerInnen bei Rathaus-Veranstaltungen teilnehmen.
„Das Rathaus steht unter Denkmalsschutz“, beschreibt Hinnerk Fock, Pressesprecher der Bürgerschaftskanzlei, die Probleme beim behindertengerechten Umbau des hochehrwürdigen Gebäudes. Deshalb habe man „nur geringe Möglichkeiten bei den architektonischen Veränderungen“.
Bislang könne nur der Plenarsaal der Bürgerschaft per Rollstuhl erreicht werden. Dann würde die „Brautpforte“ aufgeschlossen, und über komplizierte Umwege gehe es „stufenlos zum Fahrstuhl“. Doch die Brautpforte im Innenhof – nie benutztes Portal des ehemaligen Standesamtes – ist grundsätzlich verschlossen; um sie zu öffnen, muß ein Ratsdiener heranzitiert werden. Und die sitzen im Rathaus, in das Behinderte nicht hineinkommen.
„Es gibt Probleme“, gibt Fock zu. Die Baubehörde arbeite daran. „Als zentraler Punkt“ sei ein „Schrägaufzug“ geplant, der über das Treppenhaus verlaufen soll. Eine Teil-Lösung, denn damit können Behinderte noch lange nicht alle Räume erreichen wie zum Beispiel die Rathaus-Lounge. Andere bauliche und behindertengerechte Veränderungen seien aufgrund von „Bedenken seitens des Denkmalschutzes“ nicht möglich, so Fock.
Die Rathausverwaltung indes kennt den Plan mit dem schrägen Aufzug nicht: „Schwachsinn“ kommentiert Uwe Christensen, geplant sei ein „zusätzlicher Fahrstuhl an der inneren Rückfront“ des Hauses, der „grade hoch“ verlaufen soll. Im Hochbauamt, das mit der Kalkulation und Planung dieses Vorhabens betreut ist, möchte man dazu nichts sagen. Der Pressesprecher der Baubehörde Jürgen Asmussen verweist an Christensen und Fock.
Heinz Werner von der staatlichen Pressestelle klärt dann das behördliche Wirrwarr. Momentan
1liege eine „gesperrte Verpflichtungsermäßigung für einen Aufzug in Höhe von 1,2 Millionen Mark“ vor. Der endgültige Plan für einen Aufzug werde von der Baubehörde entworfen. Sollte der Plan der Bürgerschaft gefallen, würde die Million, die bereits im Haushaltsplan 1993 enthalten ist, zur Verfügung gestellt werden.
Doch die nächsten Probleme kommen bestimmt. Erstens ist laut Werner „nicht geklärt, ob das Geld reicht“. Zweitens müsse darauf geachtet werden, daß der neue Aufzug mit der geplanten Restaurierung des gesamten Rathauses harmoniert. Die RollstuhlfahrerInnen werden wohl die nächste Zeit weiterhin vom politischen Leben des Rathauses ausgeschlossen bleiben, solange, bis dem repräsentativen Bau die ersten gemeißelten Status- Symbole abbröckeln. Annette Bolz
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