Hillary Clinton im US-Vorwahlkampf: "Ich trage ein Kostüm aus Asbest"
Beim US-Vorwahlkampf werden härtere Töne angeschlagen - auch innerhalb der Parteien. Hillary Clinton wirft ihren Konkurrenten Obama und Edwards vor, "mit Schlamm zu werfen"
WASHINGTON afp/taz Die Zeit der gepflegten Argumentation ist vorbei. Wer das Amt des US-Präsidenten erobern will, muss sich beweisen - und sei es im Kampf gegen die eigenen Parteifreunde. Nicht die gegnerischen Republikaner hatten die Kandidaten der US-Demokraten bei ihrer TV-Debatte am Donnerstagabend im Blick, sondern die parteiinterne Favoritin Hillary Clinton.
Die Stimmung in der Partei ist gereizt, die Auseinandersetzung wird persönlich. Kandidat John Edwards stellte Clintons Glaubwürdigkeit in Frage und warf ihr vor, ein "kaputtes und korruptes System" zu verteidigen. Barack Obama kritisierte, sie drücke sich vor Antworten und rede wie eine Republikanerin. Und Clinton sprach von einer Schlammschlacht.
Es wird ernst im Kampf um die Nachfolge von George W. Bush. Keine 50 Tage sind es mehr, bis im US-Bundesstaat die Serie der Vorwahlen beginnt, bei denen die Parteien ihren Spitzenkandidaten für die Präsidentschaftswahl im November 2008 bestimmen. Für demokratische Aspiranten wie Obama und Edwards heißt das: Sie haben keine 50 Tage mehr, um den großen Vorsprung der früheren First Lady in den Umfragen aufzuholen. Im Angriff auf Clinton sehen sie ihre letzte Chance. Keine zehn Minuten dauerte es bei der Fernsehdebatte, bis dem CNN-Moderator Wolf Blitzer die Diskussion vorübergehend entglitt und sich die Kandidaten gegenseitig ins Wort fielen.
Die Kandidaten stritten über Gesundheitspolitik, Iranpolitik, Rentenreform. Hillary Clinton ging angriffslustig in die Debatte. "Ich trage ein Kostüm aus Asbest", drohte sie gleich zum Auftakt mit Blick auf ihren grauen Blazer. Es folgte ein Wortgefecht mit Senator Obama. "Die Amerikaner verlangen nach klaren Antworten auf harte Fragen, und das haben wir von Senatorin Clinton bislang nicht gesehen", sagte Obama. Clinton schlug zurück und kanzelte ihre Gegner ab: "Wenn schon jemand anfängt, mit Schlamm zu werfen, dann sollten wenigstens die Fakten stimmen", sagte sie. Die Angriffe kämen ihr vor wie "direkt aus dem Drehbuch der Republikaner". Selbstbewusst stellte sie klar: "Ich werde nicht angegriffen, weil ich eine Frau bin, sondern weil ich in Führung liege."
Der Fernsehdebatte in Las Vegas waren Wochen vorangegangen, in denen vor allem Obama und Edwards ihre Kritik an Clinton verschärft hatten. Clinton hatte dabei erstmals Schwächen erkennen lassen. Bei der letzten TV-Debatte vor zwei Wochen hatte sie einen blassen Auftritt, wie sie später selbst einräumte. Peinlich war für Clinton zudem die Enthüllung, dass ihre Mitarbeiter bei einem Wahlkampfauftritt kürzlich eine genehme Frage durch eine Zuschauerin lanciert haben. Außerdem verfolgt sie ihr Votum im Senat für eine Resolution, die die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation einstuft. Ihre Gegner sehen darin eine Ermächtigung der Bush-Regierung zum Krieg gegen den Iran.
In den Umfragen verringerte sich zuletzt ihr Abstand vor dem Zweitplatzierten Obama, er ist aber immer noch zweistellig. Beobachter sahen Clinton nach der Debatte in ihrer Favoritenrolle gestärkt. "Senatorin Clinton kam eindeutig sehr gut vorbereitet in diesen Kampf", sagt Costas Panagopoulos, Politikprofessor an der Fordham-Universität in New York. "Sie war sehr gut für diese Attacken gerüstet." Professor Joseph Valenziano von Universität von Nevada in Las Vegas urteilt: "Die Debatte am Donnerstag war kein entscheidender Moment für ihre Kampagne, aber ein ziemlich wichtiger Moment, an dem sie sich nach all der harten Kritik beweisen musste."
Das Publikum der Debatte in Las Vegas jedenfalls unterstützte die Senatorin gegen die Angriffe von Obama und Edwards. Als Obama Clintons Ideen zur Rentenreform als "Zahlenspielereien" abtat, die ihn an die Republikaner erinnerten, buhten einige Zuschauer. Auch Edwards wurde ausgebuht. Clintons Kampagnenstratege Mark Penn nahm das erleichtert zur Kenntnis: "Obama und Edwards setzten auf Angriff, wei sie nicht gewinnen können, und heute abend ist das gescheitert", sagte Penn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“