: Hilfslieferungen für Kurden im Irak gestoppt
■ Anschläge irakischer Soldaten auf türkische Lastwagen/ USA: „Provokationen“
Istanbul (taz) – Die Vereinten Nationen haben vorläufig ihre Hilfslieferungen an die irakischen Kurden ausgesetzt, nachdem türkische Lastwagen, die das Material transportierten, von irakischem Militär angegriffen wurden. Der UN-Sprecher Colin Mitchel, der die humanitären Hilfslieferungen koordiniert, teilte am Wochenende in Bagdad mit, daß die Lieferungen so lange ausgesetzt werden, bis Maßnahmen ergriffen worden sind, um ihre Sicherheit zu gewährleisten.
Am Freitag hatte die Türkei den Irak beschuldigt, türkische Lastkraftwagen mit UN-Lieferungen anzugreifen und Bomben zu legen. Die Stellungnahme des türkischen Außenministeriums war ungewöhnlich hart: „Unsere Lastkraftwagen wurden angegriffen. Nur durch Zufall kam es nicht zu Toten. Die Bomben wurden in einem Gebiet, das unter der Kontrolle irakischer Streitkräfte steht, von Irakern gelegt.“ Noch am selben Tag wurde Iraks Botschafter in Ankara ins Außenministerium zitiert. Die Türken informierten die alliierte Schutzmacht für die irakischen Kurden („Poised Hammer“), die in der Türkei stationiert ist. Nach Bekanntwerden des Vorfalls telefonierte der türkische Außenminister Hikmet Cetin mit seinem US-Amtskollegen Eagleburger.
Im State Departement wird der Vorfall ernstgenommen. Der stellvertretende US-Außenminister Edward Djerejian bezeichnete die Bomben auf Hilfslieferungen als „Provokation“: „Wir werden den Vorfall vor die Vereinten Nationen bringen. Wir werden in den Vereinten Nationen beraten, wie wir diese Provokation erwidern werden.“ Auch US-Präsident George Bush und der britische Premier John Major bekräftigten nach ihren Gesprächen in Camp David ihre Entschlossenheit, die Hilfslieferungen sicherzustellen. Die türkische Regierung befürchtet, daß die Behinderung der Hilfslieferungen an die irakischen Kurden erneut eine kurdische Flüchtlingswelle in Richtung Türkei in Gang setzen könnte. Gut informierte Kreise im türkischen Außenministerium berichteten, daß die USA einen verschärften Beschluß gegen den Irak in der UN anstreben. Innerhalb der vergangenen neunzehn Tage sind mehrfach Bomben in türkischen Konvois plaziert worden, während die Fahrer von irakischen Sicherheitskräften verhört wurden.
Die Hilfslieferungen müssen das von dem irakischen Militär kontrollierte Gebiet um Mossul durchfahren, weil im Winter andere Zufahrtsstraßen in wichtige kurdische Städte unpassierbar sind. Zum größten Teil handelt es sich bei den Lieferungen um Lebensmittel und Heizöl. In der Regel werden die Lebensmittel von den Vereinten Nationen bei türkischen Großhändlern eingekauft. „Der Stopp der Hilfslieferungen ist ein gewaltiger Schlag für dringend benötigte humanitäre Hilfe in den kurdischen Städten Suleimaniye und Arbil“, teilte Colin Mitchel, der UN-Koordinator des Hilfsprogrammes, in einer Pressekonferenz in Bagdad mit. Unklar ist, warum der Irak, dessen Politik auf den politischen Zusammenbruch der kurdischen Selbstverwaltung im Norden abzielt, zu dem gegebenen Zeitpunkt die Beziehungen zur Türkei mit Bomben auf LKWs belastet.
Schließlich sind die alliierten Kräfte, die zum Schutz der irakischen Kurden stationiert sind, in der Türkei erheblicher Kritik ausgesetzt. Bis zum Jahresende wird das türkische Parlament darüber entscheiden, ob der Vertrag für Poised Hammer verlängert wird. Mit den jüngsten Vorfällen hat sich die Wahrscheinlichkeit, daß sich das türkische Parlament für den weiteren Verbleib der Alliierten entscheidet, erheblich gesteigert. Für den irakischen Botschafter in Ankara, el-Tikriti, der die Vorfälle leugnet, ist das Ganze eine „Verschwörung“. „Terroristische Kräfte“ wollten die Beziehungen zwischen beiden Ländern zerstören, damit die alliierte Militärmacht weiter in der Region bleibt. Ömer Erzeren
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen