: Hilfloser Kampf gegen Nazi-Symbole
■ Öffentliches Zeigen der Reichskriegsflagge weiterhin ohne strafrechtliche Folgen
Mittlerweile wird in Berlin und sechs weiteren Bundesländern gegen das Zeigen der Reichskriegsflagge vorgegangen. Die jeweiligen Innenminister haben ihre Polizei angewiesen, Demonstrationen mit der Fahne oder auch ihr bloßes Aufziehen als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung zu werten. Dieses in der Öffentlichkeit sogenannte Verbot hat aber keine strafrechtlichen Folgen. Die Polizei kann nur den Besitzer der Fahne auffordern, sie nicht weiter öffentlich zu präsentieren. Auch kann die Flagge sichergestellt werden.
Fraglich ist, ob darüber hinaus das Zeigen der Reichskriegsflagge zumindest eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann. In Betracht käme eine „Belästigung der Allgemeinheit“. Darunter fallen auch „Gaststättenzutrittsverbote“ wie „Neger werden hier nicht bedient“, die Ausländer diskriminieren, heißt es im Standardkommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz. Selbst wenn das Präsentieren der Flagge durch Rechtsextremisten eine Ordnungswidrigkeit wäre, könnte aber höchstens eine Geldbuße von 1.000 Mark verhängt werden.
Rechtsextremisten, die öffentlich mit Symbolen demonstrieren, ist ohnehin rechtlich schwer beizukommen – selbst wenn die Embleme eindeutig nationalsozialistischen Charakter haben. Grund: Das Strafgesetz stellt zwar „das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ unter Strafe, es greift aber nur, wenn das verwendete Symbol nahezu mit NS-Kennzeichen identisch ist. „Verfremdungen oder Verzerrungen von NS-Kennzeichen sind nicht strafbar“, schreibt der Standardkommentar des Freiburger Rechtsprofessors Tröndle.
Der Berliner Staatsanwalt Carlo Weber klagt, daß die Verwendung eines spiegelverkehrten Hakenkreuzes nach der Rechtsprechung nicht strafbar ist. Auch der „Kühnen-Gruß“ – das Heben des rechten Arms mit abgespreizten Daumen, Zeige- und Mittelfinger – ist derzeit nicht zu verfolgen. Weber spricht sich dementsprechend dafür aus, den Tatbestand des Verwendens von rechtsextremistischen Symbolen zu erweitern. Ähnliche Überlegungen werden auch bereits von der Politik angestellt. So soll das Bundesjustizministerium jetzt eine Erweiterung des Strafrechts vorbereiten.
Aber auch das bestehende Recht wird offenbar nicht konsequent durchgesetzt. Weber kritisiert, daß die Gerichte vielfach auch bei der eindeutigen Verwendung von Nazi-Symbolen die Täter nicht verurteilen, sondern nur Geldbußen aussprechen. Auch die Polizei schreitet bei Aufzügen von Rechtsextremisten oft nicht ein. Ulrich Scharlack
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