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■ Seherin bei Scotland Yard, Séancen im Weißen HausHilfe von außen

London/Washington (AFP/taz) – Wenn Sinn und Verstand zu unbekannten Größen verkommen, suchen Polizisten und Politiker Unterstützung durch spirituelle Helfer. Wie der Sunday Telegraph berichtet, wendet sich beispielsweise Scotland Yard schon seit langem in schwierigen Situationen an eine Hellseherin.

1974, heißt es, habe die Zusammenarbeit begonnen: Nella Jones machte das Versteck aus, in dem Diebe ein gestohlenes Gemälde von Johannes Vermeer verborgen hatten. Die Polizei fand das Meisterwerk „Der Gitarrenspieler“ nach Jones' Beschreibung in einer Friedhofsgruft. Ein anderes Mal rief Scotland Yard die freie Mitarbeiterin zur Aufklärung des Mordes an einer alten Frau.

In dem Zimmer, in dem die Frau erschlagen worden war, hatte Nella Jones plötzlich die Buchstaben „E.A.R.L.“ vor Augen. Außerdem sah sie ein rotes Auto, das Roststellen auf dem Dach aufwies. Nur kurze Zeit später fand die Polizei eine Werkstatt mit Namen „Earl motors“, die ein auf die Beschreibung passendes Auto weiterverkauft hatte.

Es stellte sich heraus, daß der neue Besitzer des Wagens tatsächlich der Mörder der alten Frau war. „Nella brachte manches Mal unvorhersehbare Lösung in schwierigen Mordfällen“, erklärte Scotland-Yard Kommissar Arnie Cooke.

Nicht minder seltsam geht es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu. Hillary Clinton, die First Lady der USA, hat sich auf der Suche nach Bewußtseinserweiterung im Weißen Haus mehrfach Rat von einer Expertin für spiritistische Sitzungen geholt. Der Journalist Bob Woodward von der Washington Post, der mit seinen Berichten über den Watergate-Skandal seinerzeit den Sturz von US- Präsident Richard Nixon auslöste, berichtet darüber in seinem neuesten Buch „The Choice“, aus dem die Zeitung am Sonntag Ausschnitte veröffentlichte.

Hillary Clinton spricht mit Eleanor Rossevelt

Demnach gab es seit Dezember 1994 im Weißen Haus und in Camp David über Wochen hinweg „Séancen“, bei denen Jean Houston, die Ko-Direktorin einer „Stiftung für Geistesforschung“, Hillary Clinton dazu animierte, imaginäre Gespräche mit der früheren First Lady Eleanor Roosevelt zu führen. Auch Mahatma Gandhi mußte am runden Tisch Platz nehmen. Eine Konversation mit Jesus Christus, ebenfalls im Angebot, lehnte die Frau des US- Präsidenten dem Buch zufolge allerdings als „zu persönlich“ ab.

Scotland Yards Hellseherin hat sich inzwischen mit 64 Jahren selbst pensioniert. Sie sei jetzt alt und habe genug schreckliche Sachen gesehen, sagte die 64jährige. , Zum Abschied erhielt sie ein Dankesschreiben, unterzeichnet von einem Scotland-Yard-Offizier. „Ich weiß, daß Ihnen einige Kollegen Vorbehalte entgegenbrachten“, heißt es da, „doch die ständige Zusammenarbeit beweist ihre außergewöhnliche Begabung.“

Diese freundlichen Worte lassen die Möglichkeit offen, daß die Polizei hier mit Rücksicht auf eine verwirrte Person die Wahrsagerei für wahr erklärte. Im Fall der Präsidentengattin liegen die Dinge jedoch offensichtlich anders. Hillary Clintons Stelldichein mit den Geistesforschern wurde nämlich nicht dementiert. Woodwards Passagen über Hillary Clinton „schildern eine liebenswürdige First Lady, die es schätzt, Frauen mit anderen Ideen und Standpunkten als den ihren zuzuhören“, erklärte ein Schönredner des Weißen Hauses. Der Stabschef des Weißen Hauses, Leon Panetta, sagte zu den Berichten in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS: „Wir müssen uns Stärke holen von wo wir können, um den Alltag zu bewältigen“.

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