Hildebrandt mit „stoersender“ online: Wider die „Programmdiktatur“
Dieter Hildebrandt ist wieder da – im Netz. Mit dem Crowdfunding-Projekt „stoersender.tv“ ging am Ostersonntag die digitale Opposition online.
Fast zehn Jahre ist es jetzt her, dass der Münchner Kabarettist Dieter Hildebrandt seinen Abschied vom ARD-„Scheibenwischer“ nahm. Sämtliche Größen der gehobenen bissigen Abendunterhaltung gaben sich damals im Berliner Tipi-Zelt die Ehre. Hildebrandts Kollege und Freund Georg Schramm entließ den Satiriker mit einem vermeintlichen Zitat des 1990 verstorbenen SPD-Granden Herbert Wehner: „Meine Damen und Herren, ich hoffe Sie verzeihen mir meine Leidenschaft, ich hätte Ihnen die Ihre auch gerne verziehen.“
Das Bonmot stammt von Hildebrandt selbst, der einst eine fiktive Abschiedsrede von Wehner im Bundestag formulierte. Es ist ein wenig stiller geworden um den heute 86-Jährigen, doch die nötige Leidenschaft auf der Bühne (aktuelles Programm: „Ich kann doch auch nichts dafür“) hat sich Hildebrandt bewahrt. Jetzt ist er auch wieder im zeitsouveränen Fernsehen, das ja mittlerweile Internet heißt – bei „stoersender.tv“.
Am Ostersonntag ging er, gemeinsam mit Initiator und Journalist Stefan Hanitzsch, im Netz auf Sendung. Das Projekt wurde per Crowdfounding finanziert. Rund 3.000 Unterstützer fand die Aktion in den letzten Monaten beim Portal „startnext“. Statt der geforderten 125.000 Euro – um unternehmens- und senderunabhängig produzieren zu können – sammelte man fast 160.000 Euro ein.
Auch wenn Hildebrandt anfangs dem Projekt „skeptisch“ gegenüberstand, ließ er sich doch von dessen „basisdemokratischem Charakter“ überzeugen. „Wir machen allerdings keine Kabarett-Sendung, sondern wir wollen Proteste anschieben.“ Inhaltlich gehe es in dem Format, das mit investigativem Journalismus ebenso angereichert wird wie mit „vergessenen Gedichten“, in erster Linie um „die Wahrheit“.
„Aushöhlung der Demokratie“
Alle vierzehn Tage wollen Hildebrandt und Hanitzsch in rund 40 Miunten Sendezeit nun die „Programmdiktatur der öffentlich-rechtlichen Sender“ stören. Die generelle Direktive gab Stefan Hanitzsch am Gründonnerstag per Radio-Interview mit dem Bayerischen Rundfunk aus: „Wir wehren uns zu wenig gegen die Aushöhlung der Demokratie. Wir haben zu viele Politiker, die uns anlügen und noch zu wenig Menschen, die sich dagegen engagieren.“ Eine Kritik, die direkt auf die Medien und die Politik abzielt.
Insofern will Hanitzsch den „stoersender“ auch als unabhängige Plattform verstanden wissen. Die Unterstützung im Kollegenkreis ist groß: Georg Schramm, Konstantin Wecker, Frank-Markus Barwasser (Erwin Pelzig) und Roger Willemsen sind neben anderen auch dabei. Auf Gagen wird verzichtet. Die Prominenten sollen andere motivieren, beim Aufbau eines interaktiven, für alle offenen Netzwerks mitzuhelfen. Schwerpunktthema der ersten Sendung, die auf stoersender.tv abrufbar ist, war die krisengenerierede Finanzwirtschaft und deren Herolde aus der Banker-Kaste.
Die Perspektive der Programmalternative dürften nicht schlecht sein. Die Klickzahlen auf den Videoportalen und in den Sender-Mediatheken in punkto Satire und Kabarett sind mehr als ordentlich.
Den Mittschnitt von Hildebrandts Wehner-Rede von 1986 haben sich bis heute immerhin nahezu 40.000 Interessierte angeschaut. Das Publikum ist des Altmeisters also noch nicht überdrüssig. „Ich kann nicht aufhören und ich muss auch nicht“, kommentiert Hildebrandt seinen Unruhestand. Das klingt nicht nur nach Leidenschaft, sondern nach einer klaren Haltung.
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