Linker Kabarettist: Dieter Hildebrandt ist tot
Er war einer der einflussreichsten Kabarettisten Deutschlands und prägte den „Scheibenwischer“: Dieter Hildebrandt. Im Alter von 86 Jahren ist er verstorben.

1964 im Programm „Krisen-Slalom“ der Münchner Lach- und Schießgesellschaft: Dieter Hildebrandt. Bild: dpa
MÜNCHEN dpa/taz | Der Kabarettist Dieter Hildebrandt ist tot. Das teilte der Karikaturist und enge Freund Dieter Hanitzsch der Nachrichtenagentur dpa mit. Hildebrandt starb in der Nacht zu Mittwoch in einem Münchner Krankenhaus im Alter von 86 Jahren. Hildebrandt prägte das politische Kabarett in Deutschland über Jahrzehnte.
Erst am Dienstag war bekanntgeworden, dass Hildebrandt an Krebs erkrankt war. Er hatte der Münchner tz ein Interview gegeben, in dem er sagte: „Ich werde kämpfen bis zum Schluss. Noch bin ich nicht tot.“
Die Diagnose Prostatakrebs hatte er nach eigenen Angaben im Sommer bekommen. Er wurde mehrfach operiert und war lange im Krankenhaus. Nachdem sich sein Zustand vor wenigen Wochen noch gebessert hatte, musste er nach einem schweren Rückschlag erneut in die Klinik.
Hildebrandt war Mitbegründer der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“, die mitteilte: „Bis zum Schluss hatte er Pläne, hatte gekämpft und wollte sich im Dezember auf der Bühne der Münchner Lach- und Schießgesellschaft von seinem Publikum verabschieden. Er hätte uns noch so viel zu sagen gehabt. Wir trauern mit seiner Familie um einen wunderbaren Menschen, lieben Freund, Förderer und eine moralische Instanz.“
Dieter Hildebrandts Karriere in Bildern sehen Sie hier.
Hildebrandt wurde im schlesischen Bunzlau geboren und begann nach dem Zweiten Weltkrieg ein Studium in München, wo er seither lebte. Er entdeckte zunächst die Liebe zur Schauspielerei, doch bei der sogenannten Schauspielergenossenschaftsprüfung fiel er durch. Zusammen mit Sammy Drechsel gründete er nach seinen Intermezzi als Platzanweiser und als Mitglied in einem Studentenkabarett 1956 die „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“. Er galt als einer der bekanntesten Kabarettisten der Bundesrepublik.
„Es ist ein großer Verlust“, sagte sein Freund Hanitzsch, mit dem Hildebrandt das Online-Kabarett-Projekt „störsender.tv“ auf die Beine gestellt hat. „Für uns alle.“ Am Mittwoch stand auf der Startseite des Projekts: „Danke, lieber Dieter, für alles.“
Leser*innenkommentare
aujau
" 'Wider das Recht, aber straffrei' beruht darauf etwa dieser Staat?"
Dieter Hildebrandt
Rosa
Ein ganz Großer, einer der wenigen, die brillantes politisches Kabarett konnten.
Das gehörte in den 60ern zum Sylvesterabend-Pflichtprogramm.
Dagegen sind die heutigen sogenannten Comedians öde Witzfiguren.
Trauer ist angesagt.
:(
Gast
Vor Jahren träumte ich, ich sei seine Geliebte... es war ein verdammt erhabenes Gefühl.
Er hat mein Weltbild mitgeformt und dafür werde ich ihm ewig dankbar sein.
lichtgestalt
Mit Persiflagen auf manche der Nachrufe, die jetzt erscheinen werden, hätte er sicher ein abendfüllendes Programm gemacht.
Alexander Giesebrecht
Gast
The Godfather of Kabarett...
Es war mir eine solche Ehre, dass ich ihm vor einigen Jahren die Hand schütteln durfte und einige Sätze mit ihm wechseln.Er war echt, ehrlich, aufrichtig und kämpferisch...und darum kein Politiker sondern das wahrhaftige Gegenstück!
Bin sehr traurig... R.I.P. lieber Dieter
reblek
Gast
"Er galt als einer der bekanntesten Kabarettisten der Bundesrepublik." - Wichtiger ist allerdings, dass er nicht nur in seiner Generation der profilierteste war.
StiftChronist
Oje .... Mist! Kein guter Tag für dieses Land. Das Blöde ist, dass solche Leute in den heutigen Zeiten von Internet und Pay-TV keine gleichwertigen Nachfolger mehr haben, was einigen gefallen dürfte. Da die Kultur allgemein ums Überleben kämpft, sind solche Karrieren auch nicht zu wiederholen. Was bleibt, ist das mulmige Gefühl eines Zeitenwechsels, in dem Volkes kritische Stimmen der alten Generation nach und nach verschwinden, obwohl sie heutzutage wichtiger denn je wären. Wie wichtig einer wie Hildebrandt war, zeigte sich auch darin, wer sich alles über ihn aufgeregt und welche Reaktionen er in den Jahrzehnten unserer poltitischen Landschaft provoziert hat, wenn unbequeme Wahrheiten so geil-satirisch verpackt wurden. Nach Loriot ein weiterer Spiegel der Gesellschaft, der fehlen wird und ein tiefes Loch reisst.
Man kann nur hoffen, dass sich Geschichte nicht wiederholt, weil in digitalen Optimierungszeiten Kultur etwas geworden ist, was gefälligst umsonst zu sein hat, nix kosten darf und den (hoffentlich kommenden, neuen) Hildebrandts dieser Republik es sehr viel schwerer macht, sich Gehör zu verschaffen.
Es sei ihm herzlich gegönnt, sich darüber nicht mehr den Kopf zerbrechen zu müssen :)
HP Remmler
"Demokratie ist die Freiheit, die die Wirtschaft ihr lässt."
Dieser Satz hat sich mir eingeprägt, und er ist einer von sehr vielen Gründen, diesem Menschen dankbar zu sein.
Rainer B.
Das reißt eine gewaltige Lücke in die politische Kultur dieses Landes. Er hat die Dinge immer so auf den Punkt gebracht, dass sie für alle verständlich waren und sie trotzdem noch lachen konnten. Respekt und Trauer für einen aussergewöhnlichen Menschen.
heilige fahti
Gast
@Rainer B. ja ja, er war ein wirklicher Sozialdemokrat, was ja gleichbedeutend ist mit politischer Kultur. diese völlige Einseitigkeit macht ihn mir unsympathisch.
Rainer B.
@heilige fahti Ich glaube kaum, dass er damit einverstanden gewesen wäre, wenn man ihn einen "Sozialdemokrat" genannt hätte, vielleicht noch zu Zeiten Willi Brandts, aber danach bestimmt nicht mehr.
Peter Haller
Gast
@8ack80n3
So wie ich die taz kenne, kommt da noch was !
Ansonsten kann ich nur Viccy ausnahmsweise mal rechtgeben !
Traurig !
Gastname
Gast
Dieter Hildebrandt war der politische Kabarettist der Nachkriegszeit. Er war -und wird auch weiterhin- auf jeder Bühne präsent sein, welche linkes Kabarett inszeniert. Insofern hat er einen Hauch der Unsterblichkeit erworben.
Was ich mir als Hintergrund- information gewünscht hätte, wäre der Hinweis auf Hildebrandt Mitgliedschaft in der NSDAP und die daraus erwachsene Eigenverantwortung, welche Hildebrandt (im Gegensatz zu der Masse seines Jahrgangs) stets vorbildlich gelebt hat.
Viccy
:-(
8ack80n3
Sehr mikriger Bericht für so eine Größe. Schämt Euch taz!
Alexander van Essen
Gast
@8ack80n3 "... er starb in der Nacht zu Mittwoch ...". Heute ist Mittwoch. Du gute Güte, was erwarten Sie. Ich bin mir sicher, dass es nicht bei der mickrigen Meldung bleibt. Also, liebe taz: Nicht schämen.
Ganesha
Da mag die Politik aufatmen (natürlich, ohne das zuzugeben!)... wir verlieren heute einen der großen Mahner und Warner, die dieses Land bisher (nötig) hatte.
Pasteurisiert
Gast
@Ganesha Im Gegensatz zu den ganzen "Mahnern und Warnern" da draussen die wirklich niemand nötig hat, ist DHs hinscheiden ein wirklicher Verlust für die Kulturnation Deutschland bzw dass was von jener noch übrig ist.