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„Hier wird gezündelt“

■ ÖTV-Mitglieder werfen DGB-Chef Pumm Aufstachelung zum Ausländerhaß vor / Pumm: „Da werden innere Feindbilder gesucht“ Von Silke Mertins

ÖTV-Mitglieder gegen Gewerkschaftsfunktionäre: Aus Protest gegen die DGB-Kampagne gegen illegale Beschäftigung und Lohndumping forderten mehr als 60 ÖTVler gestern ihre Gewerkschaftsspitze auf, den DGB-Dachverband abzumahnen. „So geht es auf keinen Fall!“ heißt es in einem offenen Brief. „Hier wird gezündelt und nicht ein Problem gelöst.“

Die alleinige Konzentration auf die Illegalen führe dazu, daß „arme Würstchen“, die für Ausbeuterlöhne auf dem Bau arbeiten, zu Sündenböcken gemacht würden. „Es ist sehr schade, aber vielleicht kein Zufall, daß die Lebens- und Arbeits- situation der illegal Beschäftigten mit keinem Wort Beachtung findet in der DGB-Presseerklärung“, zeigt das Schreiben die Tendenz der DGB-Kampagne auf. Auch daß Polizei, Zoll und Arbeitsamtkontrolleure zu einer nicht-öffentlichen DGB-Tagung zu diesem Thema geladen wurden, weise auf eine einseitige Stoßrichtung hin, denn: „Wen sollen die denn festnehmen? Die ganzen Unternehmer, die sich an der illegalen Beschäftigung eine goldene Nase verdienen?“

Noch deutlicher wird der HBVler Peter Bremme: „Es herrscht bereits ein deutsches Bewußtsein auf den Baustellen, und das wird durch solche Kampagnen angestachelt.“ Und zwar „ohne Seitenblick für die Konsequenzen solcher Anläufe“. Es sei unverantwortlich und unwürdig für eine Arbeitnehmerorganisation, so auf die „Schwarzarbeiter“ loszugehen und Illegale womöglich durch Razzien und anschließende Abschiebung auch noch um ihren kargen Lohn zu bringen. Der DGB würde so mithelfen, den sogenannten „Arbeitsplatzpatriotismus“ (Bürgermeister Henning Voscherau) hoffähig zu machen.

DGB-Chef Erhard Pumm, Zielscheibe der Kritik, fühlt sich komplett mißverstanden. Hier würde wohl „ein neues, inneres Feindbild gesucht“. Der DGB wolle genau das Gegenteil der Vorwürfe bewirken: „Wenn wir nichts machen, laufen wir in eine Ausländerfeindlichkeit, die sich gewaschen hat.“ Die Drahtzieher und Hauptschuldigen habe der DGB mitnichten aus den Augen verloren und fordere deshalb „hohe Konventionalstrafen“. Für Gespräche mit den KritikerInnen sei er aber „ganz, ganz offen“, so Pumm. Jetzt müsse es wohl „doch bald ein DGB-Forum geben“.

Bremme allerdings glaubt nicht an Mißverständnisse. „Helfen Sie mit, daß illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit ein Ende haben – Wenden Sie sich an die Gewerkschaften oder den DGB vor Ort“, heißt es zum Beispiel auf einem DGB-Flugblatt. Für Bremme eindeutig: „Wenn man das ernst nimmt, ist das ein Aufruf zur Denunziation.“

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