■ QUERBILD: Hier spricht Denise
Eine abgedunkelte Wohnung. Eine Frau, alleine, am Telefon. Sie spricht mit ihrem Geliebten, der sie verlassen hat, durchlebt Erinnerungen, schöpft neue Hoffnung, wird wieder enttäuscht, redet weiter. Sie erbittet den Aufschub, ein wenig länger die Illusion behalten zu dürfen, nicht ganz allein zu sein, obwohl sie es längst ist. Roberto Rosselini zeigte in seinem Episodenfilm Amore von 1947 dieses ganze Drama, indem man nichts anderes sieht als Anna Magnani und hört, was sie sagt und was sie antwortet auf etwas, das man nicht hört.
Sechs Wohnungen, sechs Leute. Knapp 50 Jahre später geht es in Hal Salwens Low-Budget- und Erstlingsfilm Hier spricht Denise auch um das Telefon als Aufschub und wieder sieht man nichts anderes als Menschen beim Telefonieren. Eine Komödie über Leute, die sich teilweise kennen, aber lange nicht mehr gesehen haben, weil sie so viel zu tun haben: „Wir würden ja gerne. Aber, die Zeit, sie wissen schon, leider!“ Statt dessen wird ausgiebig telefoniert. Sie plaudern darüber, daß man sich mal treffen sollte, wer zu wem gut passen würde und daß diejenigen sich doch mal anrufen sollten. Diese rufen sich dann auch an, lernen sich kennen, kommen sich nahe, auch wenn sie sich nicht treffen und reden wieder darüber, daß sie sich mal treffen sollten.
In dieses vermittelte Kontaktgebilde platzt Denise. Schwanger hat sie bei ihrer Samenbank die Telefonnummer des Spenders herausbekommen. Sie ruft ihn an, um ihn mit der Nachricht, daß er Vater wird, zu überraschen. Denise ist das Gegenstück zu den sechs Kontaktneurotikern. Wenn auch immer mit dem Handy in der Hand, ist sie die einzige, die körperlich erlebt, die sich im Außen bewegt, in der Stadt, an öffentlichen Orten, die andere mit Gesprächsstoff versorgt und schließlich ein Baby bekommt. Und am Ende jemandem real begegnet.
„I can see you in my wildest dreams“ heißt eine Zeile aus der Filmmusik. Hier spricht Denise ist ein Film über den Film im Kopf, der abläuft, wenn nur die Stimme von jemandem durch- dringt, lustig, wild und traumhaft, wie so ein Film eben Film sein kann. Und über verpaßte Chancen des Kontakts, so angeschimmelt wie die Erdbeeren am Morgen nach der Party, zu der keiner kam.
Simone Sondermann Abaton, Broadway
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