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Archiv-Artikel

OB DER BUNDESPRÄSIDENT NOCH MAL ANTRITT, INTERESSIERT KEINEN MEHR Hier geht Johannes Ellabätsch

Seit Anfang des Jahres scheucht Johannes Rau Politik und Medien über Stock und Stein: Ob er noch mal gedenke anzutreten, werde er zu einem Zeitpunkt eigener Wahl verkünden. So weit, so gut. Doch verbindet der Bundespräsident seine Aussage stets mit einem eigentümlichen Hinweis: Er selber habe sich längst entschieden, nur verraten werde er seine Entscheidung nicht. Was als Beschwichtigung der öffentlichen Ungeduld gedacht war, entwickelt sich zum Ärgernis – und aus dem ersten Mann im Staate wird Johannes Ellabätsch.

Ich weiß etwas, was ihr nicht wisst – über ein halbes Jahr spielt der Präsident sein Spielchen schon. Im Frühsommer ließen seine Mannen streuen, spätestens im Juli offenbare er sich, schließlich sei es dann bis zur nächsten Vereidigung nur noch ein Jahr. Der 1. Juli kam – und verstrich. Na ja, dann eben vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause. Pünktlich gab Rau ein Interview – und verkündete nur eine Verschiebung: Nach der Sommerpause sei’s so weit. Aber nicht vergessen: Er selbst habe sich natürlich längst entschieden. Müsste der Präsident noch grübeln, wäre sein Hinhalten verständlich. Doch zu schweigen, wo er reden könnte, lässt ihn zunehmend albern aussehen. Er selbst begründet seine Manöver immer mit der Würde seines Amtes, die es zu schützen gelte. Doch welchen Schaden nähme die Institution, wenn der Mann Klartext reden würde?

Nun gibt es gewiss Wichtigeres als die Frage, wer denn neues Staatsoberhaupt werden soll. Aber ganz so unwichtig ist die Diskussion darüber auch nicht. Da der Präsident schweigt, wird seine Nachfolge jetzt ohne ihn verhandelt. Kaum ein Tag vergeht, da nicht neue Namen auftauchen, Favoriten verglichen, Mehrheitsverhältnisse erörtert werden. Mit Johannes Rau rechnet im Ernst niemand mehr. Schließlich kann auch die Bayernwahl Rot-Grün die Stimmen für eine Wiederwahl ihres Kandidaten nicht bescheren. So ist die Debatte längst über Rau hinweggegangen – und der Amtsinhaber hat das Ziel seines Zögerns verpasst: selbstbestimmt und in Würde seinen Abschied verkünden zu können. PATRIK SCHWARZ