: Hexentanz im Sexshop mit Folgen
Schwandorfer Amtsrichter verurteilte zwei Frauen zu Geldstrafen wegen Hausfriedensbruchs / Kampf gegen Pornographie ist als Motiv „unterstützenswert“ / Staatsanwältin verwies auf Generalprävention ■ Aus Schwandorf Bernd Siegler
Wegen schweren Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung im örtlichen Sex-Shop verurteilte das Amtsgericht Schwandorf zwei Frauen zu Geldstrafen von 100 Tagessätzen a 20 DM bzw. 80 Tagessätzen a 15 DM. Ausdrücklich strafmildernd berücksichtigte Richter Grüner die Motivlage der Angeklagten. Sie hatten zusammen mit anderen Frauen mit ihrer Aktion ein Signal setzen wollen gegen die Pornographie, „dem legalen Terror, unter dem Frauen in einem täglichen Ausnahmezustand leben“. Die Staatsanwältin hatte dagegen in ihrem Plädoyer „aus spezial- und generalpräventiven Gründen“ acht bzw. sieben Monate auf Bewährung gefordert.
Am 11.Februar dieses Jahres, an der Weiberfastnacht, war laut Anklageschrift eine Gruppe von Frauen als Hexen verkleidet in den Schwandorfer Sexshop gestürmt. 13 „Hexen“ sollen dort den Besitzer in die Ecke gedrängt, ihn getreten und gebissen haben. Gleichzeitig hätten die Frauen die Regale ausgeräumt, Pornomagazine zerrissen, Video-Kassetten zertrampelt und Essig bzw. Fugenklebermasse verspritzt. 3.500 DM Sachschaden lautete die Bilanz. Am Tag darauf bekannten sich sog. „Faschingsprinzessinnen der Abenddämmerung“ in einer anonymen Erklärung mit dem Titel „Pornographie ist die Theorie - Vergewaltigung die Praxis“ zu der Aktion.
Eine 22jährige und eine 29jährige Frau, die nicht mehr rechtzeitig aus dem Sexshop hatten entfliehen können und von dem Ladenbesitzer festgehalten wurden, mußten sich jetzt vor dem Amtsgericht wegen Landfriedensbruch, schwerem Hausfriedensbruch, Nötigung und Körperverletzung verantworten. Sie gaben im Prozeß zwar zu, im Sexshop „mit der Trillerpfeife eine sogenannte Gewalt ausgeübt“ zu haben, bestritten aber die Beteiligung an Sachbeschädigungen und an Körperverletzungen. Dagegen stand die Aussage des Sex-Shop -Besitzers, der sich allerdings vor Gericht in Widersprüche verstrickte. Einem bei der Aktion anwesenden Kunden, einem angesehenen Schwandorfer Geschäftsmann, war die Sache sichtlich peinlich. Herr Stahl konnte sich im Gegensatz zum Ladenbesitzer, Herrn Hamela, an nichts mehr erinnern.
Die Worte von Staatsanwältin Froschauer, es sei „für sie als Frau hier schwer, die Anklage zu vertreten“, erwiesen sich angesichts ihrer harten Strafforderung als Makulatur. Bis auf die Körperverletzung sah sie alle Anklagepunkte jeweils in Mittäterschaft als erfüllt an. Die Angeklagten müßten sich die Taten der ganzen Gruppe zurechnen lassen. Entsprechend der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes vom 13.Mai dieses Jahres zur Nötigung bei Sitzblockaden seien die Fernziele der Angeklagten, hier der Kampf gegen die Pornographie, nur im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen, nicht jedoch bei der Frage der Strafbarkeit der Tat.
Dem widersprachen die beiden Verteidigerinnen Schenk und Gaugel vehement. Von Fernzielen könne keine Rede sein. Der Sex-Shop in Schwandorf sei ein Nahziel gewesen, der geschädigte Ladenbesitzer sei verantwortlich für die Verbreitung von Pornographie im Schwandorfer Raum. Angesichts des „permanenten rechtswidrigen Angriffs auf Frauen durch die Pornographie“ könnten die beiden Frauen für sich sogar einen „rechtfertigenden Notstand“ reklamieren. Die Anwältinnen forderten niedrige Geldstrafen für ihre Mandantinnen.
Nach achtzehn Stunden Verhandlung wählte Richter Grüner den Mittelweg. Seiner Meinung nach sei ein konkreter Tatbeitrag im Falle des Landfriedensbruchs, der Nötigung und der Körperverletzung nicht feststellbar. Die Frauen seien jedoch des schweren Hausfriedensbruchs und der Sachbeschädigung schuldig. Der Richter hielt die Motivation der Angeklagten für „unterstützenswert“, deren Vorgehensweise jedoch für „nicht vertretbar“.
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