: Heute Afghanistan – morgen?
Das Problem Krieg könnte gelöst werden, wenn alles aus der Sicht der Opfer betrachtet werden würde. Da wäre Einigkeit, weil die Ansicht „Kriegsopfer sind unschuldig“ ziemlich allgemein ist. Bei den zivilen Opfern liegt das offen zutage, aber auch vor Soldatengräbern kann man nicht von Schuld reden: Die jungen Menschen sind entweder massiv für die aktive Kriegsteilnahme beeinflusst worden oder man hat sie gezwungen. Die Qual des Sterbens der Kriegsopfer lässt sich nicht ermessen. Man sollte meinen, dass das bei allen Gedenkfeiern, zusammen mit der Forderung „Nie wider!“ im Mittelpunkt stehen würde. Bekanntlich ist das nicht der Fall.
Vielfach tauchen die Begriffe „Dank“ und „Vaterland“ auf. In der Nähe Bremerhavens (in Schiffdorf) steht neben der Kirche ein großer Gedenkstein mit der Inschrift „Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde – 1939–1945“ (!). Bei den Volkstrauertagsfeiern (mit Kränzen von militärnahen Vereinigungen) sieht man häufig Uniformierte, also solche, die bei entsprechenden politischen Entscheidungen auf Befehl bereit wären, neue Kriegsgräber zu erzeugen. Schlimm sind auch Abglättungen des Krieges, wie „Verteidigung“ oder „Kampf gegen den Terrorismus“. Es werden dann Streu- und Napalmbomben geworfen.
Es bringt für die Überwindung des Kriegesgedankens nichts, nur besonders schlimme Untaten als Kriegsverbrechen herauszustellen. Das hieße, „reguläre“ Kriegstaten ausführbarer erscheinen zu lassen. Aber was durch die Kriegstechnik und durchweg über große Distanz und mit offiziellen Befehlen und Absegnungen den Menschen zugefügt wird, ist genauso schrecklich wie scheußlichste Kriegsverbrechen.
Den Hebel für eine grundsätzliche Lösung des Kriegsproblems nur bei den Politikern anzusetzen, bringt nichts. Bei denen hat man schon die abenteuerlichsten Kehrtwendungen vom Pazifismus zum Militärgedanken bis hin zur Aufforderung zur Kriegsteilnahme erlebt. Aussichtsreicher ist die Stärkung der Kriegsdienstverweigerung, die in der BRD im vergangenen Jahr von 180.000 jungen Menschen praktiziert worden ist.
HUGO SPOHLER, Bremerhaven
Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen