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Archiv-Artikel

Heteros dürfen wieder Schweinefleisch essen

Die Ahmadiyya-Gemeinde nimmt Abstand von der absurden Behauptung, es gäbe einen Zusammenhang zwischen Homosexualität und dem Verzehr von Schweinefleisch. Aber bekennende Schwule würde die Gemeinde trotzdem ausschließen – und begründet das mit ihren religiösen Überzeugungen

VON NANA GERRITZEN

Wenn es nicht so ernst gewesen wäre – man hätte darüber lachen können. Eine Autorin hatte in einem Artikel, erschienen im Jugendmagazin der Ahmadiyya-Gemeinde, einen Zusammenhang zwischen Homosexualität und dem Verzehr von Schweinefleisch hergestellt. Die Empörung war groß. Nun ist der Artikel von der Internetseite der Gemeinde verschwunden. „Wir haben keine Quelle gefunden, in der die vermeintliche Vermutung belegt wird“, begründet dies Rafik Ahmad, Sprecher der deutschen Ahmadiyya-Zentrale.

Unter dem Titel „Glücksschwein oder arme Sau“ hatte eine junge Autorin ihre Leser vor dem Verzehr von Schweinefleisch gewarnt. Sie wies auf zahlreiche vermeintliche Auswirkungen hin, die „ein schamloses Tier wie das Schwein“ auf den Menschen haben könne. Neben Blinddarmentzündungen und Rheuma sei dem Verzehr auch „der zunehmende Hang zur Homosexualität“ zuzuschreiben. Der Text erschien vor zwei Jahren in der gedruckten Ausgabe des Magazins und stand auf der Internetseite der Ahmadiyya-Gemeinde, wo er vor zwei Wochen Lesern auffiel. Daraufhin brach ein Sturm der Entrüstung über die Gemeinde herein.

Empört war auch Thomas Birk, Sprecher für Lesben- und Schwulenpolitik der Grünen im Abgeordnetenhaus. Er schrieb einen offenen Brief an den Imam der Berliner Ahmadiyya-Gemeinde. „Solche Texte sind dazu geeignet, die Diskriminierung von Lesben und Schwulen bis hin zur Gewalt zu schüren, statt ihr entgegenzutreten“, kritisierte der Politiker. Er bot dem geistlichen Oberhaupt der Berliner Ahmadiyya, Abdul Basit Tariq, ein Gespräch an, um über die Möglichkeiten zu diskutieren, wie man sich mit Homosexualität auseinandersetzen könne. Bisher hat er auf sein Schreiben keine Antwort bekommen.

Durch den absurden Text bekam auch die allgemeine Debatte über die Ausrichtung der Ahmadiyya neue Nahrung. Zwar stuft der Bundesverfassungsschutz sie als „weder extremistisch noch gewalttätig“ ein. Doch die Gemeinde hat auch Kritiker. Eine ihrer schärfsten ist die Frankfurter Sozialwissenschaftlerin Hiltrud Schröter. Sie nennt die Ahmadiyya eine „schwer durchschaubare Polit-Religion“. Nach außen sei sie unauffällig und tolerant. Doch ihr eigentliches Ziel sei es, eine Gesellschaft nach islamischem Recht zu etablieren. Dies sei Reden des Kalifen zu entnehmen, so Schröter.

Zumindest in der aktuellen Debatte bemüht sich die Gemeinde um Klärung. „Der Koran sagt, dass der Verzehr von Schweinefleisch verboten ist, begründet das aber nicht“, sagt ihr Imam. Das Journal, in dem der Artikel erschienen war, sei vielleicht inhaltlich nicht hinreichend geprüft worden. Den offenen Brief des Grünen-Abgeordneten Birk habe er bekommen. Er wolle „bald“ antworten und gerne an einem Treffen teilnehmen. Seines Wissens habe es in deutschen Ahmadiyya-Gemeinden bisher keinen Fall von öffentlich gelebter Homosexualität gegeben. „Ein bekennend homosexuelles Mitglied müsste wohl mit einem Ausschluss aus der Gemeinde rechnen“, so Tariq.

Auch Sprecher Ahmad rudert zurück. „Ich möchte unterscheiden zwischen der Homosexualität als solcher, die ein un-islamisches, un-christliches und un-jüdisches Verhalten ist, und der Annahme, die Ahmadiyya-Gemeinde wolle zu Verfolgung, Hass oder Gewalt aufrufen.“ Die Ahmadiyya sei tolerant und jederzeit für Gespräche offen. Völlig Abstand nehmen von der Argumentation will er jedoch nicht. Hazrat Mirza Ghulam Ahmad, der Gründer der Ahmadiyya, habe vor mehr als 100 Jahren gesagt, dass es einen Zusammenhang zwischen der Ernährung und der Verhaltensweise eines Menschen geben kann. „Dem stimmen wir weiter zu.“